Kassel. Beim Bundessozialgericht in Kassel standen heute gleich 11 Revisionsverfahren zu Honorarärzten, die in unterschiedlichen Konstellationen tätig waren, an.
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Die Klage eines Landkreises als Träger eines Krankenhauses erklärte das Gericht zum Leitfall, anhand dessen die Diskussion im Wesentlichen geführt wurde. Das Krankenhaus hatte eine Anästhesistin auf Honorarbasis eingestellt und war der Auffassung, dass diese sozialversicherungsfrei tätig war. Die Deutsche Rentenversicherung hingegen ging von Sozialversicherungspflicht aus.
Das Bundessozialgericht folgte in vollem Umfang der Argumentation der Deutschen Rentenversicherung. Es machte deutlich, dass es von der Eingliederung der Ärztin in betriebliche Abläufe ebenso überzeugt war wie von deren Weisungsgebundenheit. Zwar erkannte das Gericht gewisse Freiheiten in der Ausführung der Tätigkeit der Anästhesistin. In seiner mündlichen Begründung unterstrich das Gericht aber, dass im Bereich hochqualifizierter Spezialisten trotz weitgehender Entscheidungsfreiheit sozialversicherungspflichtige Beschäftigung regelmäßig vorliege. Weisungsgebundenheit könne zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe verfeinert sein. Die Ärztin trage kein nennenswertes unternehmerisches Risiko. Ihrer hohen Vergütung käme nur dann indizielle Wirkung zu, wenn auch im Übrigen alles für selbstständige Tätigkeit spreche. Gesetzliche Vorschriften zu Qualitätssicherung, Versorgungssicherheit und Patientensicherheit hätten keine zwingende Wirkung auf die Abgrenzung zwischen Selbstständigkeit und sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung. Damit blieb das Gericht sogar noch ein Stück hinter seiner eigenen Rechtsprechung aus dem Jahr 2017 zurück, wo einer hohen Vergütung noch eine besondere Indizwirkung beigemessen wurde.
Ganz deutlich betonte das Gericht, dass strukturelle Probleme dort zu lösen seien, wo sie ihren Ursprung haben. Damit spielt das Gericht den Ball ins Feld des Gesetzgebers. Das Problem des Ärztemangels insbesondere im ländlichen Raum könne nicht dadurch gelöst werden, dass durch Abschluss von Honorararztverträgen attraktive Arbeitsbedingungen für Ärzte geschaffen würden. Die sozialversicherungsrechtlichen und arbeitsrechtlichen Schutzgesetze stünden nicht zur Disposition. Durch die heutige Entscheidung ist die Beschäftigung von Honorarärzten in Krankenhäusern kaum noch möglich. Wer weiter Honorarkräfte einsetzt, begibt sich auf dünnes Eis. Es drohen empfindliche Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuern. Nicht auszuschließen sind strafrechtliche Ermittlungen wegen des Nichtabführens von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuerhinterziehung. Die Krankenhäuser sind daher gefordert, ihr Verhalten jetzt anzupassen. Verantwortliche sollten klare Vorgaben zum Einsatz von Fremdpersonal machen und dies auch nachhalten, um die genannten Risiken zu vermeiden.
Kontakt zum Autor: Volker Ettwig, Tsambikakis & Partner Rechtsanwälte mbB, Leipziger Straße 124, 10117 Berlin, ettwig@tsambikakis.com, www.tsambikakis.com