Die Fernbehandlung zählt zum Bereich der Telemedizin.
Quelle: KU Gesundheitsmanagement
Darunter versteht man alle Versorgungskonzepte, die eine räumliche Entfernung oder einen zeitlichen Versatz bei der Diagnostik, Therapie und Rehabilitation sowie ärztlicher Entscheidungsberatung vorsehen. Die Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien ist dabei unabdingbar. In Deutschland finden in der Patientenversorgung telemedizinische Methoden einen zunehmenden Einsatz. Sie wirken dabei unterstützend im ärztlichen Handeln. In keinem Fall ist allerdings vorgesehen, die ärztlichen Tätigkeiten durch Fernbehandlungen oder telemedizinische Praktiken zu ersetzen.
Seit 20 Jahren befasst sich die Deutsche Gesellschaft für Medizinrecht, kurz DGMR, mit der Lösungsfindung für die gesetzliche Frage der Telemedizin. Schon damals spricht die DGMR von einem “neuen Fachgebiet der Medizin”. Sie erkannten das Potenzial, medizinische Dienstleistungen durch Fernbehandlungen effizienter und qualitativ hochwertiger zu gestalten. Durch die Etablierung von Fernbehandlungsmethoden können die Versorgungsgerechtigkeit gesteigert, Versorgungslücken vorgebeugt und Patienten entlastet werden. Demgegenüber steht die fehlende rechtliche Grundlage. Der Grundsatz der “persönlichen Leistungserbringung” wäre im Hinblick auf die gewünschten Entwicklungen an die Begebenheiten der Fernbehandlung anzupassen. Jedoch muss der Haftungsmaßstab, die Anforderungen nach dem Facharztstandard zu behandeln sowie die Verpflichtung den aktuellen Stand der Technik bei den verwendeten Behandlungsmethoden zu berücksichtigen, deckungsgleich in der Offline- und Online-Welt sein.
Die Musterberufsordnung der Ärzte (MBO-Ä) beschränkte die Fernbehandlung im alten § 7 Abs. 4 sehr stark. Ärzte durften danach individuelle ärztliche Behandlungen, insbesondere auch Beratung, nicht ausschließlich über Print- und Kommunikationsmedien erbringen. Bei telemedizinischen Verfahren war sicherzustellen, dass der Arzt den Patient unmittelbar behandelt. Seit 2019 ist eine Fernbehandlung unter bestimmten Voraussetzungen erleichtert. Eine ausschließliche Behandlung oder Beratung über Kommunikationsmedien ist im Einzelfall erlaubt, wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art der Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation gewahrt wird und die Patienten über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt werden. (§ 7 Abs. 3 Satz 3 MBO-Ä neu) Nach wie vor steht jedoch der persönliche Kontakt zwischen Arzt und Patient sozusagen als “Goldstandard” im Vordergrund.
Im Juli 2019 hat das Kabinett den Entwurf für das “Digitale Versorgung-Gesetz” und damit weitere Erleichterungen für Videosprechstunden beschlossen. Zudem hat sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn für eine Ausweitung der Telemedizin ausgesprochen. In einem Interview sagte er: “Ich bin dafür, Onlinebehandlungen zu erleichtern, auch bei der Erstbehandlung”. Er sehe die Chance, die Digitalisierung besser zu nutzen, um Verbesserungen im deutschen Gesundheitswesen für Patienten sichtbar zu machen und die Arbeit der Ärzte zu vereinfachen.
Autor: Prof. Dr. Volker Penter, Partner KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, vpenter@kpmg.com
Quelle: KU Gesundheitsmanagement 10/2019