Eine der am häufigsten durchgeführten medizinischen Maßnahmen in Deutschland ist immer wieder Ausgangspunkt für kontroverse Diskussionen – die Rede ist von Impfungen.
Quelle: KU Gesundheitsmanagement
Obwohl in Deutschland keine allgemeine Impfpflicht besteht, wurden 2018 rund 35,7 Millionen Impfstoffdosen über die gesetzlichen Krankenversicherungen abgerechnet. Damit soll nicht nur die Gesundheit eines Einzelnen, sondern auch die der gesamten Bevölkerung geschützt werden. Zwar kann durch eine entsprechende Impfung eine Erkrankung nicht per se ausgeschlossen werden, jedoch sinkt das Erkrankungsrisiko deutlich. Um diese Immunität lebenslang zu gewährleisten ist, je nach Krankheit, nach der Grundimmunisierung ggf. eine Auffrischimpfung notwendig – etwa gegen Tetanus oder FSME. Auch der Grippeschutz, der von der Ständigen Impfkommission (STIKO) für ausgewählte Personengruppen empfohlen wird, ist aufgrund der mutierenden Grippeviren jährlich aufzufrischen.
Die STIKO ist ein unabhängiges Expertengremium, dessen Tätigkeit von der Geschäftsstelle Impfprävention des Robert Koch-Instituts (RKI) koordiniert und unterstützt wird. Grundlegend für die Arbeit der STIKO ist einerseits die evidenzbasierte Medizin, die Aufschluss über die Sicherheit und Wirksamkeit eines Wirkstoffes liefert. Diese Kriterien müssen zwar bereits beim Zulassungsantrag bei der European Medicines Agency (EMA) oder dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) erfüllt sein, allerdings werden auch nach der erteilten Zulassung weitere Studien durchgeführt, um Erkenntnisse über die sogenannte Real-World Evidenz zu gewinnen. Darüber hinaus ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene ein entscheidender Faktor.
Erfüllt ein Impfstoff die notwendigen Kriterien, wird dieser in den Impfkalender aufgenommen, welcher jährlich im Rahmen des Epidemiologischen Bulletins des RKIs veröffentlicht wird. Im Zuge dessen wird auch entschieden, ob die Impfung als Standardimpfung für Millionen von Menschen oder für eine spezifische Risikogruppe eingesetzt werden soll. Auf dieser Grundlage wägt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in einem weiteren Schritt ab, ob eine Aufnahme in die Schutzimpfungsrichtlinie erfolgt und somit zu einer Pflichtleistung der gesetzlichen Krankenkassen wird.
Das Masernschutzgesetz
Dass die Empfehlungen der STIKO auch politische Relevanz aufweisen, zeigt das erst kürzlich verabschiedete Masernschutzgesetz. Obwohl der Kombinationsimpfstoff Masern-Mumps-Röteln (MMR) bereits Bestandteil des Impfkalenders ist, gibt es in Deutschland nach Angaben des RKI eine zu große Impflücke, vor allem in Bezug auf die zweite Impfung. Da gerade eine Masernerkrankung jedoch als hochansteckend einzustufen ist und mitunter tödlich enden kann, ist ein entsprechender Schutz der Bevölkerung, insbesondere der vulnerablen Gruppen, notwendig. Aus diesem Grund müssen Kinder zukünftig beim Eintritt in den Kindergarten oder in die Schule die von der STIKO empfohlene Masernimpfung vorweisen – etwa durch einen Eintrag in den Impfausweis oder durch ein ärztliches Attest. Getreu dem Motto “no shot – no school” können ungeimpfte Kinder von der Teilnahme am Kindergarten- und Schulleben ausgeschlossen werden und den Eltern droht eine Geldbuße von bis zu 2.500 Euro. Darüber hinaus sind auch Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen (z.B. Erzieher, Lehrer) oder im medizinischen Bereich tätig sind, zu einer Impfung verpflichtet.
Kontroverse: Impfpflicht sinnvoll?
Die Verabschiedung des Masernschutzgesetzes entfacht erneut die Diskussion zwischen Impfgegnern und Impfbefürwortern. Einerseits soll in Deutschland auch im Hinblick auf Impfungen das Selbstbestimmungsrecht ausgeübt werden können. Dabei erfordert die Impfung – vor dem Hintergrund des Risikos von Impfschäden – eine persönliche Abwägung von Nutzen und Risiken und sollte nicht kollektiv getroffen werden. Demgegenüber steht jedoch das Argument, dass Vorsorge besser ist als Nachsorge. Gerade im Hinblick auf die finanzielle Lage des deutschen Gesundheitssystems ist dies ein nicht zu vernachlässigender Effekt.
Autor: Julia Kaub, Partner, Healthcare KPMG AGWirtschaftsprüfungsgesellschaft, jkaub@kpmg.com
Quelle: KU Gesundheitsmanagement 01/20