Der Anspruch auf Vergütung einer operativen Intervention bei einer sog. Kielbrust (Pectus carinatum) entsteht nur dann, wenn der Eingriff aufgrund des Krankheitswertes erforderlich ist, beschloss das LSG Berlin-Brandenburg.
Der Vergütungsanspruch eines Krankenhauses gegen die Krankenversicherung setzt ausnahmslos voraus, dass die Behandlung erforderlich ist. Dies ist der Fall, wenn der körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert zukommt. Ein solcher Krankheitswert kann sich zum einen aus einer Beeinträchtigung der Körperfunktionen ergeben, zum anderen aus einer Entstellung des Körpers. Kommt es infolge einer Thoraxdeformität nicht zu funktionellen Beeinträchtigungen des Körpers oder Auffälligkeiten an inneren Organen und liegt keine Entstellung vor, ist nicht von einem Krankheitswert auszugehen. Bei der Beurteilung, ob eine solche Entstellung vorliegt, ist regelmäßig auf den bekleideten Zustand des Patienten abzustellen. Sofern die Deformation des Thorax problemlos mittels Kleidung verdeckt werden kann, entfällt die entstellende Wirkung. Dies beansprucht, wie im zugrunde liegenden Fall, auch bei weiblichen Patienten im Jugendalter Geltung. Allein die Tatsache, dass die körperliche Besonderheit des Brustkorbs zu einem psychischen Leidensdruck des Patienten führt, begründet keinen Krankheitswert. Eine dennoch durchgeführte chirurgische Intervention am gesunden Körper ist damit nicht als Behandlung im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung zu werten. Infolgedessen entsteht für die Behandlung kein Vergütungsanspruch gegen die Krankenversicherung.
LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 13.12.2019 – L 9 KR 584/16
Praxistipp: Leidet der Patient nachvollziehbar psychisch unter einer Deformität des Thorax und der Abweichung vom „normalen Körper“, ohne dass Behandlungen notwendig sind, ist vielmehr eine entsprechende fachmedizinische Behandlung der psychischen Beschwerden angezeigt.
Kontakt zum Autor: Dr. Tobias Weimer, M.A. Fachanwalt für Medizinrecht, c/o WEIMER I BORK – Kanzlei für Medizin-, Arbeits- & Strafrecht, Frielinghausstr. 8, 44803 Bochum; www.kanzlei-weimer-bork.de; weimer@kanzlei-weimer-bork.de