Siegfried Hasenbein, 63, Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft

Welche Ihrer Vorzüge werden verkannt?
Bei der Frage fällt mir Mark Twain ein, der schrieb: Das schönste aller Geheimnisse ist ein Genie zu sein und es als einziger zu wissen. Ich finde, man sollte sich hüten, seine eigenen Vorzüge herauszustellen. Zu groß ist die Gefahr der falschen Eigenwahrnehmung und des Selbstlobes. Um aber an dieser Stelle die Antwort nicht schuldig zu bleiben,könnte ich anführen, dass das eher unaufgeregte Agieren mit vielen persönlichen und vertrauensvollen Beziehungen im Hintergrund eine Art von mir ist. Sie ist zwar selten schlagzeilenträchtig, aber manches Mal wirkungsvoller als große öffentliche Inszenierungen und ermöglicht viele fruchtbare und gewinnbringende Begegnungen.
Was war Ihre größte Fehlentscheidung undwas haben Sie daraus gelernt?
Verantwortlich ist man nicht nur für das, was man tut, sondern auch für das, was man nicht tut. Deshalb muss man gerade in Führungspositionen permanent Entscheidungen treffen. Und natürlich kommt es immer wieder vor, dass ich hinterher feststelle, das hätte ich anders besser machen können. Doch die große Fehlentscheidung, dass ich sozusagen an einer maßgeblichen Weggabelung meines Lebens die falsche Richtung eingeschlagen habe, gibt es Gott sei Dank nicht. In jungen Jahren, als begeisterter Handball- Leistungssportler haderte ich lange damit, dass ich das Angebot eines Bundesligisten ausgeschlagen und nicht den Weg des Halbprofis eingeschlagen habe. Inzwischen weiß ich aber längst, dass die Entscheidung, sich auf einen „anständigen“ Beruf zu konzentrieren, die richtige war.
Welches politische Projekt sollte schnell umgesetzt werden?
Ach, es gibt auch neben der Großbaustelle Gesundheit und Pflege so viele politische Projekte, die einer schnellen Umsetzung bedürfen: Klimaschutz, Entwicklungshilfe, Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme, Bildung, Digitalisierung usw. Deshalb würde ich meine Antwort gerne etwas anders formulieren: Ich wünsche mir eine schnelle Änderung des politischen Stils. Weniger Parteiengezänk, weniger Machtpolitik und Selbstdarstellung und weniger Phrasen, sondern nachhaltige, sachorientierte Entscheidungen, Mut zur Führung und eine parteiübergreifende Gemeinsamkeit der Demokraten in grundlegenden Fragen. Vielleicht hilft die derzeitige Coronakrise, uns auf diese Werte zu besinnen.
Was ertragen Sie nur mit Humor?
Wie in jeder Branche begegnen uns auch in unserem Gesundheitssystem zur Genüge die „Vielredner und Besserwisser“, die auf alles eine Antwort wissen und beim Schaulaufen auf unzähligen Kongressen, in Interviews, Reden und Studien die Welt erklären, es aber meist an praxisorientierter Tatkraft missen lassen. Ich habe im Laufe der vielen Jahre Berufserfahrung gelernt, dass man mit dem „Grundrauschen“, das diese Spezies hervorruft, leben muss und betrachte dies inzwischen mit einem Schmunzeln. Lieber halte ich mich an jene, die – wenn auch oft in kleinen Schritten – etwas zum Besseren bewegen.
Wie können Sie am besten Stress abbauen?
Ich glaube, dass ich über eine ziemlich hohe Stresstoleranz verfüge. Dennoch ist Abschalten, auf andere Gedanken kommen und den Energiespeicher auftanken allemal wichtig. So oft wie möglich versuche ich, je nach Jahreszeit, Sport zu treiben: Radtouren, Joggen, Schwimmen, Skifahren. Völlig abschalten kann ich beim ausgiebigen Wandern in den Bergen (immer verbunden mit einer anständigen Brotzeit).Und besonders belebend: Wenn die beiden erwachsenen Töchter zu Besuch sind und die Familie bei leckerem Essen ausgiebig quatscht, mal albern, mal tiefschürfend.
Quelle: KU Gesundheitsmanagement 05/2020