Was kommt und wie es sich auswirkt

Im November und Dezember des vergangenen Jahres waren an dieser Stelle Beiträge zu lesen über das kommende Unternehmensstrafrecht und über die DIN ISO 19600, eine Norm zur Standardisierung von Compliance-Management- Systemen. Beide Themen entwickeln sich gerade. Der Entwurf zum sog. Verbandssanktionengesetz (VerSanG) ist offiziell veröffentlicht worden. Es ist davon auszugehen, dass er im Herbst das parlamentarische Verfahren durchlaufen wird. Dann kann das Gesetz Anfang kommenden Jahres in Kraft treten. Und wie schon bei der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) wird es zwei Jahre später „scharf geschaltet“. So lange bleibt den Krankenhäusern einerseits und der Justiz andererseits Zeit, sich auf das neue Gesetz vorzubereiten. Für die Krankenhäuser heißt das, Compliance-Management- Systeme zu etablieren oder – wo schon vorhanden – eventuell zu verbessern. Eine Aufgabe, deren Dimension nicht unterschätzt werden sollte. Der Aufbau eines umfassenden Compliance-Managements bedeutet einen erheblichen Aufwand interner Ressourcen und häufig auch externer Unterstützung. Gleichwohl ist der Aufwand ohne vernünftige Alternative. Ohne ein belegbar funktionierendes Compliance- Management kann im Fall eines Verfahrens nach dem neuen VerSanG nicht mit Strafmilderung gerechnet werden. Und es kommt hinzu, dass der öffentliche Druck, Compliance-Maßnahmen nachweisen zu können, weiter wachsen wird.
Neue Norm kommt
Parallel dazu entwickelt sich DIN Normung weiter. Die bisherige DIN ISO 19600 ist eine Norm, die nicht zertifizierungsfähig ist. Sie stellt eine Art Baukasten-System dar, nach dem man Compliance-Management unter Berücksichtigung von Größe, Risikostruktur und Leistungsfähigkeit eines Unternehmens aufbauen und bewerten kann. Die fehlende Möglichkeit, hierüber ein Zertifikat zu erlangen, wird zuweilen beklagt. Daher halten manche an dem von den Wirtschaftsprüfern entwickelten Standard IDW PS 980 fest. Und das, obwohl er m.E. wesentlich weniger flexibel, teuer in der Durchführung und dabei begrenzt auf die Wirtschaftsprüferbranche ist.
Bald neue Zertifizierung
Das wurde erkannt. Die DIN ISO 19600 wird fortgeschrieben. Eine gewisse Flexibilität bleibt bei der Ausgestaltung von Compliance-Management erhalten. Gleichzeitig wird aber die Möglichkeit geschaffen, eine Zertifizierung erlangen zu können. Das bisher nur empfehlende System wird also reformiert und in eine sog. Anforderungsnorm vom Typ A überführt. Deshalb erhält die Norm künftig auch einen neuen Namen: DIN ISO 37001. Diese Norm ist nicht an eine einzelne Berufsgruppe gebunden. Es ist davon auszugehen, dass es schon bald einige akkreditierte Institutionen geben wird, die Zertifikate erteilen dürfen. Neben Organisationen wie der TÜV werden auch andere in diesen Markt ins Auge fassen, z.B. Rechtsanwaltskanzleien. In den Markt der Zertifizierer kommt also Bewegung. Das wird sich für die Krankenhäuser preislich günstig auswirken.
Die Möglichkeit zur Zertifizierung erhöht aber auch den Druck auf die Krankenhäuser. Denn wenn eine Zertifizierung mit vertretbarem finanziellen Aufwand möglich ist, werden nicht zertifizierte Compliance- Management-Systeme kaum noch einen Wert haben. Ein CMS wird künftig erst dann Akzeptanz erlangen, wenn auch ein Zertifikat erreicht wurde. Und das wird wahrscheinlich auch von den Gerichten so beurteilt werden. Im Arzthaftungsrecht hat sich zur Klärung der Frage, ob ein Behandlungsfehler vorliegt, längst die Praxis dahin entwickelt, dass Gerichte zumeist auf die Leitlinien der jeweiligen medizinischen Fachgesellschaften abstellen. Die Effektivität eines CMS wird durch die neue DIN ISO 37001 künftig auch leichter messbar und vergleichbar sein. Selbstbewusst weist der Normgeber daher im Vorwort schon darauf hin, dass in verschiedenen Ländern der Umfang vorhandener Compliance für die Festsetzung von Strafen mit entscheidend war. Deshalb könnten auch regulatorische und Gerichtsbehörden von der neuen Norm als Referenz profitieren. Vermutlich wird es genau so kommen.
Autor: Rechtsanwalt Volker Ettwig, Tsambikakis & Partner Rechtsanwälte mbB, ettwig@tsambikakis.com
Quelle: KU Gesundheitsmanagement 07/2020