Dr. Constanze Schaal, 51, Geschäftsführerin RehaZentren der DRV Baden-Württemberg gGmbH; Vorstandsvorsitzende der DEGEMED

Welche Ihrer Vorzüge werden verkannt?
Die Abwesenheit von Eitelkeit ist einer meiner Vorzüge – der es mir im Übrigen erschwert, bei der Beantwortung dieser Frage weiter auszuholen. Doch wenn ich darüber hinaus etwas nennen soll, wäre es eine Eigenschaft, die mir meine Mitmenschen attestieren: Ich bin „Langstreckenläuferin“, keine „Sprinterin“. Meine Beharrlichkeit und ein langer Atem werden oft unterschätzt und führen doch zum Ziel. Dabei ist es mir wichtig, den Blick nach vorne zu richten und neue Entwicklungen schnell zu erkennen. Dies erfordert Zusammenarbeit und Teamgeist, Austausch und Diskussion und manchmal kritische Auseinandersetzung. Diese Offenheit und dieses Miteinander bringen uns als Reha-Branche weiter.
Was war Ihre größte Fehlentscheidung und was haben Sie daraus gelernt?
Wir alle machen Fehler − und lernen idealerweise aus ihnen! Rückblickend bin ich aber dankbar dafür, dass ich beruflich wie privat keine gravierenden Fehlentscheidungen getroffen habe. Meine langjährige Führungserfahrung hat mir vor allem gezeigt, dass das Vermeiden von Entscheidungen der größte Fehler ist. Mir ist es wichtig, diese Einstellung auch mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu teilen: Aktiv voran zu schreiten, anstatt zögernd zu verharren. Eine bewusst gelebte Fehlerkultur ist Voraussetzung dafür und sollte zentraler Bestandteil jeder Unternehmenskultur sein. Nur so funktioniert Weiterentwicklung.
Welches politische Projekt sollte schnell umgesetzt werden?
Anreizsysteme für „Gelingende Integrierte regionale Versorgung“ durch regionale Versorgungsnetzwerke, deren Partner sich auf Augenhöhe begegnen. Und natürlich die Finanzierung der komplexen Rehabilitationsleistungen auf Ist-Kostenbasis! Hier bieten gleich zwei aktuelle Gesetzesinitiativen die Gelegenheit für ein zeitgemäßes und zukunftsfähiges Finanzierungssystem: Im Gesetz Digitale Rentenübersicht geht es um das neue Leistungserbringerrecht im SGB VI und damit um das Miteinander von Reha- Einrichtungen und gesetzlicher Rentenversicherung. Zum ersten Mal seit vielen Jahrzehnten will der Gesetzgeber klare und verbindliche Regeln für den größten Rehabilitationsträger schaffen – auch zum Thema Vergütung. Aber auch bei den Krankenkassen passiert gerade viel: Das Intensivpflege- und Reha-Stärkungsgesetz (IPREG) gibt uns endlich die Chance, mit Rahmenempfehlungen für Transparenz und Leistungsgerechtigkeit bei der Vergütung der Krankenkassen zu sorgen. Wir werden beides beherzt und schnell angehen und unsere Interessen klar formulieren.
Was ertragen Sie nur mit Humor?
Die derzeitige weltweite Situation lädt aktuell nicht dazu ein, ihr mit Humor zu begegnen. Dennoch wäre es falsch, zu resignieren. Richtig eingesetzt, kann Humor dazu beitragen, eine angespannte Situation zu entschärfen, das Eis zu brechen und die Arbeit an Lösungen zu erleichtern. Gerade in der Corona-Pandemiemuss sich jeder Einzelne ständig neuen Herausforderungen stellen und diese meistern. Dabei ist es wichtig, dass wir nicht nur gesund, sondern auch fröhlich bleiben. Denn wenn wir unseren Humor verlieren, haben wir schon fast alles verloren.
Wie können Sie am besten Stress abbauen?
Manche sagen, ich könne das am besten beim Schuhe kaufen, aber das halte ich für ein Gerücht … Ich liebe, was ich tue! Und somit ist der meiste Stress, dem ich ausgesetzt bin, für mich positiver Stress. Davon abgesehen bin ich ein Naturmensch und halte es mit Martin Walser: „Dem Gehenden schiebt sich der Weg unter die Füße“. Konkret heißt das: viel Natur, frische Luft und Bewegung. Aber natürlich auch Begegnungen mit Familie und Freunden, gute Gespräche, neue Eindrücke und der Blick über den Tellerrand.
Quelle: KU Gesundheitsmanagement 10/2020