Eine rechtliche Kurzeinschätzung von Rechtsanwalt Frank Sarangi.
Die aktuelle Corona-Schutzverordnung (CoronaSchVO NRW) vom 07.01.2021 sieht in § 14 Abs. 1 vor, dass Betriebskantinen und Mensen in Bildungseinrichtungen ausnahmsweise dann zur Versorgung der Beschäftigten bzw. der Nutzerinnen und Nutzer der Bildungseinrichtung betrieben werden dürfen, wenn sonst die Arbeitsabläufe bzw. ein nach dieser Verordnung noch zulässiger Bildungsbetrieb nicht aufrecht erhalten werden könnte. Die Formulierung wirft die Frage auf, ob klinikeigene Betriebskatinen zur Sicherstellung der Versorgung der eigene Mitarbeiter geöffent bleiben dürfen.
Für die Beantwortung dieser Frage relevant sind die Formulierungen „zur Versorgung der Beschäftigten“ sowie „wenn sonst die Arbeitsabläufe nicht aufrecht erhalten werden könnten“.
Wann die beiden vorgenannten Voraussetzungen vorliegen, wird durch die CoronaSchVO NRW in ihrer jetzigen Fassung selbst nicht geregelt und definiert. Insoweit ist die Zulässigkeit des Betreibenes einer Betriebskantine nur nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu beurteilen.
Die ursprüngliche CoronaSchVO vom 30.11.2020 sah die Einschränkung mit den vorgenannten Voraussetzungen noch nicht vor. In der Begründung zu der seinerzeitigen CoronaSchVO hieß es, dass die Versorgung der im Arbeitsleben stehenden Bevölkerung gewährleistet sein müsse. Daher sei die Öffnung von Betriebskantinen zulässig (Seite 9 zur Begründung der CoronaSchVO vom 30.11.2020).
Da sich an dieser Intention auch mit der jetzigen CoronaSchVO vom 07.01.2021 nichts geändert hat, spricht zunächst einmal auch die Begründung der alten CoronaSchVo dafür, dass Betriebskantinen im Krankenhaus auch weiterhin (nur) für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geöffnet bleiben dürfen. Voraussetzung ist aber stets, dass die entsprechenden Hygienevorgaben eingehalten werden.
Für die Zulässigkeit des Offenhaltens der Betriebskantine spricht auch § 28 a Abs. 1 S. 2 IfSG. Die Vorschrift ist Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und sieht vor, dass auch unter der Verhängung von entsprechenden Infektionsschutzmaßnahmen ein Mindestmaß an sozialen Kontakten gewährleistet bleiben muss. Nach der Begründung des Bundesgesetzgebers zu § 28 a IfSG soll Absatz 2 eine unter Infektionsgesichtspunkten noch mögliche soziale Entfaltung und Normalisierung des Lebens ermöglichen (BT-Drucksache 19, 23944, Seite 34).
§ 28 a Abs. 3 S. 1 IfSG sieht vor, dass die Schutzmaßnahmen der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems dienen müssen. Daraus folgt, dass eine vollständige Einschränkung des Kantinenbetriebes bereits deswegen ausscheidet, weil dadurch die zwingend erforderliche Versorgung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter während des Klinikbetriebes ausgeschlossen wäre.
Der vorgenannte Schutz der „Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems“ würde durch die Schließung und die damit einhergehende Einstellung der Nahrungsversorgung gefährdet werden. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wären nämlich gehalten Ihre Versorgung innerhalb einer Station durch (externe und ggf. belieferte) Speisen sicherzustellen. Daneben stellt sich die Frage, wo diese (externen) Lebensmittel dann eigenommen werden sollen. Die Stationsebenden scheidet hierfür klar aus. Die Betriebskantine stellt hierfür ein gut und hygienekonform zu gestaltende Alternative dar.
Gemäß des vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales am 16.04.2020 herausgegebenen und immer noch geltenden SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards liegt die Verantwortung für die Umsetzung notwendiger Infektionsschutzmaßnahmen bei dem Arbeitgeber. Die Entscheidung für oder gegen einzelne Infektionsschutzmaßnahmen wird nach dem Ergebnis einer Gefährdungsbeurteilung getroffen.
Dies bedeutet, dass Geschäftsführer (bzw. andere Leistungsorgane der Klink) in Verbindung mit den weiteren Gremien der Klinik einen Beurteilungsspielraum haben. Stellen diese nach einer sorgfältigen Prüfung fest, dass der Betrieb der Betriebskantine für die hausinternen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter Berücksichtigung der Hygienevorgaben möglich ist, so spricht der vorbenannte Arbeitsschutzstandard ebenfalls dafür, dass die Betriebskantine weiter betrieben werden darf.
Für die Durchführung des Kantinenbetriebes gilt dann Ziffer 2 des vorbenannten Arbeitsschutzstandards. Es ist also ausreichender Sicherheitsabstand einzuhalten. Es ist darauf zu achten, dass keine Warteschlangen bei der Essensausgabe und Geschirrrückgabe sowie an der Kasse entstehen. Ggf. wären die entsprechenden Kantinenzeiten zu erweitern. Der Arbeitsschutzstandard sieht selbst vor, dass eine Schließung nur als absolute ultima ratio Maßnahme anzusehen ist.
Das Robert Koch Institut (RKI) veröffentlichte im Journal of Health Monitoring (2020 5 (1) DOI 10.25646/6397) einen Beitrag zur Inanspruchnahme von Kantinen zur Förderung der betrieblichen Gesundheitsvorsorge. Auch das RKI sieht die Notwendigkeit des Aufrechterhaltens einer Kantine mit gesunden Ernährungsangeboten als essentiell an. Die aktuellen Empfehlungen des RKI zur Covid-Situation sehen keinerlei ausdrückliche Schließungen von Kantinen vor.
Insoweit sprechen auch all diese vorbenannten Gesichtspunkte dafür, dass der Kantinenbetrieb unter Berücksichtigung des zitierten Arbeitsschutzstandards weiterhin aufrechterhalten bleiben kann.
Die Formulierung „wenn sonst die Arbeitsabläufe nicht aufrecht erhalten werden können“ stellt rechtstechnisch betrachtet eine unbestimmte Rechtsformulierung dar. Diese führt dazu, dass der Klinikträger einen Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum hat, ob durch eine Betriebskantinenschließung die vorbenannten Arbeitsabläufe aufrecht erhalten werden können oder nicht.
Unter Berücksichtigung der maximalen Belastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen bzw. einer Klinik ist klar darauf abzustellen, dass die Nutzung einer Betriebskantine für die Aufnahme von Flüssigkeit und Speisen essentiell und unabdingbar ist.
Für die Zulässigkeit des Offenhaltens der Betriebskantine spricht auch die aktuelle CoronoSchVO selbst. An anderer Stelle der Verordnung (§5 Abs. 1) ist vorgesehen, dass Besuche von Externen auf der Basis eines einrichtungsbezogenen Besuchskonzepts zulässig seien, wenn die Empfehlungen des RKI umgesetzt werden. Die aktuelle CoronaSchVO geht also in § 5 Abs. 1 davon aus, dass selbst Externe das Haus betreten dürften. Rechtstechnisch folgt daraus, dass betriebsinterne Personen krankenhausbezogene Einrichtungen, hierzu zählt die Betriebskantine, nutzen dürfen.
Autor: Frank Sarangi, LL.M., Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Lehrbeauftragter der Fakultät für Gesundheit der Universität Witten / Herdecke, JORZIG Rechtsanwälte, frank.sarangi@jorzig.de