Über die Bedeutung von Nachhaltigkeit

Compliance macht nur Sinn, wenn Nachhaltigkeit sichergestellt ist. Deshalb muss mehr geschehen, als nur Richtlinien zu erlassen. Entscheidend sind breite Kommunikation, stichprobenartige Prüfungen und regelmäßige Überprüfung und Verbesserung von Compliance-Maßnahmen. Diese Anforderungen stellen auch die Rechtsprechung und aktuelle Compliance-Standards.
Ob freiwillig oder ob getrieben, weil z.B. der Aufsichtsrat es so will, werden in Krankenhäusern zunehmend Compliance-Maßnahmen umgesetzt. Manche halten es schlank und reduzieren sich auf die Vermeidung von Korruption, andere wählen einen breiteren Ansatz und etablieren ein umfassendes Compliance-Management-System. Egal welcher Ansatz gewählt wird, eines ist beiden leider oft gemein: Dem Startschuss folgt nicht viel. Dabei ist bekannt, dass das Spiel nur gewinnen kann, wer am Ball bleibt.
Nur allzu oft entfalten gut gemachte Compliance-Maßnahmen zu wenig Wirkung, weil sie nicht nachgehalten werden. Wer z.B. das Thema Antikorruption ernsthaft angehen will, der darf nicht nach dem Erlass einer entsprechenden Richtlinie aufhören. Die Richtlinie wird anfangs begrüßt, bevor sie dann zunehmend in Vergessenheit gerät. Jahre später stellt man fest, dass sie wenig–zumindest zu wenig- gebracht hat. Und rückblickend betrachtet hätte man sich den Aufwand und vielleicht auch die entstandenen Beraterkosten besser sparen können. Nach dem die Antikorruptionsrichtlinie einige Jahre brach gelegen hat, die dort genannten zuständigen Mitarbeiter in anderen Funktionen tätig sind, neue Tochtergesellschaften hinzugekommen sind, die aber nicht erfasst sind, hat das Ganze den Wert eines Blatts weißen Papiers.
Das soll kein Aufruf sein, Compliances einzulassen, weil es ohnehin sinnlos ist. Das Gegenteil ist richtig: Wenn Maßnahmen ergriffen werden, braucht es einen breiten Ansatz und Konsequenz. Kurz gesagt, auch Compliance-Maßnahmen müssen nachhaltig sein. Und das ist nicht nur ein frommer Wunsch des Autors. Das ist eine Anforderung! Die Rechtsprechung verlangt spätestens seit dem Siemens-Skandal, dass mehr getan wird, als nur entsprechende Richtlinien zu erlassen. Und diese Anforderungen der Rechtsprechung wurden längst aufgegriffen. Exemplarisch ist auf die demnächst in Kraft tretende DIN37301 hinzuweisen, die die Anforderungen an Compliance-Management-Systeme definiert (vgl. Ettwig, KU-Gesundheitsmanagement 12/2019, Seite 69 zur noch gültigen Regelung DIN19600).
Wenn Compliance-Maßnahmen ergriffen werden, müssen sie auch bekannt gemacht werden. Zu denken ist an Schulungen, Webinare, Infopapiere usw. für die Mitarbeitenden .Es sollte der Ansatz gewählt werden, der am wenigsten Ressourcen und Kosten verbraucht und trotzdem alle erreicht. Die Personalabteilung muss sicherstellen, dass neue Mitarbeiter gleich zu Beginn der Tätigkeit ins Thema eingebunden werden. Von Zeit zu Zeit bedarf es wie bei einer Impfung der Auffrischung. So wird erreicht, dass Compliance im Bewusstsein bleibt. Die Kommunikation ist gerade beim Start ein entscheidender Faktor für den Erfolg. Die Maßnahme muss weiterentwickelt werden. Wenn sich Strukturen ändern, Mitarbeiter wechseln, gesetzliche oder behördliche Vorgaben sich ändern usw., darf Compliance nicht stehen bleiben. Jede Compliance-Richtlinie gehört alle 2 Jahre auf den Prüfstand. Und bei Bedarf muss es ein Update geben. Und schließlich müssen Regeln angewendet werden. Compliance muss durchgesetzt werden, wenn es kein zahnloser Tiger sein soll. Ja, das bedeutet Aufwand und der kostet Geld. Aber er ist kein Selbstzweck. Wenn Compliance nachhaltig betrieben wird, führt dies zu einer veränderten Kultur. Compliance-Verstöße werden abnehmen. Und wer die Haftungserleichterungen erreichen möchte, wie sie im künftigen sog. Unternehmensstrafrecht (Verbandssanktionengesetz–VerSanG) angelegt sind, für den ist Nachhaltigkeit alternativlos (vgl. Ettwig, KU-Gesundheitsmanagement 11/2019, Seite 68). Und spätestens dann rechnet sich Compliance. Und das nicht nur finanziell. Wenn Compliance greift, werden auch negative Folgen ,die z.B. mit einem Ermittlungsverfahren verbunden sind, nicht eintreten.
Autor: Volker Ettwig, Rechtsanwalt, Tsambikakis & Partner Rechtsanwälte mbB
erschienen in KU Gesundheitsmanagement 02/2021