Volker Ettwig, 54, Rechtsanwalt und Certified Compliance Expert, Tsambikakis & Partner Rechtsanwälte mbB

Welche Ihrer Vorzüge werden verkannt?
Mein Beruf bringt es mit sich, dass man mitunter hart verhandeln und um das beste Ergebnis ringen muss. Ab und an muss man in eine Rolle schlüpfen und diese möglichst gutspielen. Ich denke, dass ich das kann. Es verstellt aber ein wenig den Blick auf den Menschen dahinter, der in seinem christlichen Glauben verwurzelt ist. Er gibt mir Halt in meinem Leben und beeinflusst meine Entscheidungen. Für mich ist dies ein innerer Kompass. Ich kann nicht behaupten, dass das immer gelingt. Oft genug gelingt es nicht, denn ich habe die gleichen Schwächen und Fehler wie wir alle. Doch versuche ich zumindest, mir immer wieder bewusst zu machen, welches Handeln nach diesem Kompass richtig wäre.
Was war Ihre größte Fehlentscheidung und was haben Sie daraus gelernt?
Ich habe einst mit einem Studium im Fach Wirtschaftswissenschaften begonnen. Das geschah weniger aus positiver Überzeugung, sondern weil vermeintlich günstige Umstände mich leiteten: Ich konnte zuhause wohnen bleiben, ein paar Freunde von mir fingen ebenfalls mit demselben Studium an, ich war vorher in Mathematik eigentlich immer ganz gut usw. Doch dann merkte ich schnell, dass es falsch war, mich von den günstigen Umständen leiten zulassen. Ich wollte nicht mehr bei den Eltern wohnen, ich wollte neue Menschen kennen lernen, das viele Mathematische machte mir gar keinen Spaß. Also korrigierte ich meine Entscheidung und entschied ich mich, das zu machen, was ich eigentlich wollte. Ich studierte Jura, zog dafür nach Bonn und lernte einige mir wichtige Menschen kennen, mit denen ich auch nach über dreißig Jahren eng verbunden bin. Inzwischen frage ich mich vor wichtigen Entscheidungen genauer. Ichversuche, mich nicht von vermeintlichen Bequemlichkeiten leiten zulassen.
Welches politische Projekt sollte schnell umgesetzt werden?
Da gäbe es einige, auch solche außerhalb des Gesundheitswesens. Aber da ich dem Thema Gesundheit sehr verbunden bin, fällt mir dazu gleich ein wichtiges politisches Projekt ein. Nicht zuletzt Corona machtes wieder deutlich: Wir brauchen in unseren Krankenhäusern und Senioreneinrichtungen mehr Pflegekräfte. Die demoskopische Entwicklung wird das Problem noch verschärfen. Doch Pflegeberufe werden häufig als nicht attraktiv empfunden. Hohe Anforderungen, teilweise schwere körperliche Arbeit, unregelmäßige Arbeitszeiten, seelische Belastungen und mäßige Bezahlung sind keine Anreize. Hier muss die Gesundheitspolitik ansetzen. Dazu reicht es nicht, Pflegeuntergrenzen festzulegen. Wir brauchen deutlich mehr qualifiziertes Pflegepersonal, um die Lasten unter den Mitarbeitenden fair zu verteilen. Dann wird es möglich sein, noch flexiblere Arbeitszeitmodelle umzusetzen. Wir brauchen eine Bezahlung, die die Anforderungen und Belastungen besser kompensiert und die den Beruf attraktiver macht. Dazu muss der Staat seinen nachhaltigen Beitrag leisten. Denn das kann weder durch höhere Beiträge und erst recht nicht durch Einsparungen an anderer Stelle im Gesundheitswesen finanziert werden. Und in Extremsituationen wie im Moment wären wir deutlich besser aufgestellt.
Was ertragen Sie nur mit Humor?
Ich bin ein humorvoller Mensch. Das erleichtert so manches. Am besten ertrage ich mit Humor das Unerträgliche, z.B. Menschen, die glauben, man habe Trump die Wahl geklaut oder Corona-Leugner, die wissenschaftliche Thesen durch undifferenzierte Meinung zu ersetzen versuchen.
Wie können Sie am besten Stress abbauen?
Im Sommer arbeite ich im Garten. Das ist ein schöner Ausgleich zum Büro. Im Winter genieße ich es, am Ofen ins Feuer zu schauen. Wenn immer es geht – manchmal nur für einen Tagesausflug – fahre ich mit meiner Familie ans Wasser. Mal ein Badesee in Brandenburg, mal an die Ostsee.
Quelle: Quelle: KU Gesundheitsmanagement 02/2021