Vermeidung straf- und zivilrechtlicher Risiken

Auch außerhalb psychiatrischer Kliniken kann es im Einzelfall erforderlich sein, einen Patienten ausnahmsweise fixieren zu müssen. In den psychiatrischen Kliniken kommen jeweils die speziellen landesrechtlichen Regelungen zur Anwendung. Außerhalb psychiatrischer Kliniken richtet sich die Zulässigkeit von Fixierungen nach allgemeinen Grundsätzen. Erforderlich ist die Zustimmung eines Betreuers oder eines vom Patienten Bevollmächtigten. Und auch dann unterliegen deren Entscheidungen der richterlichen Kontrolle.
Die Voraussetzungen für zulässige Fixierungen sind durch die Rechtsprechung eng gefasst. Daher können unzulässige Fixierungen den Tatbestand der Freiheitsberaubung erfüllen. Freiheitsbeschränkende Maßnahmen im Sinne von Art. 104 Abs. 1 GG können aber aus besonders wichtigem Grund zulässig sein, wenn der Schutz anderer oder der Allgemeinheit dies erfordert. Darüber hinaus können freiheitsbeschränkende Maßnahmen auch zum Schutz des Betroffenen selbst gerechtfertigt sein. Für Ärztinnen und Ärzte kann es mitunter schwierig sein, eine rechtlich korrekte Entscheidung zu treffen. Hierfür ist es wichtig, einen klaren Handlungsrahmen vorzugeben, der die Einhaltung aller rechtlichen Anforderungen sicherstellt. Das schützt Ärztinnen und Ärzte vor strafrechtlicher Verfolgung und das Krankenhaus vor zivilrechtlicher Haftung. Fehlt es an eindeutigen Vorgaben, kann dies einen Organisationsmangel offenbaren, für den die Krankenhausleitung verantwortlich ist. Die nötige Handlungssicherheit zu geben, ist daher ein Compliance-relevantes Thema.
Besser als eine Richtlinie dürfte eine Checkliste sein, die von den Ärztinnen und Ärzten im Bedarfsfall der Reihe nach durchgegangen wird. Darin muss deutlich werden, dass die Fixierung nur das allerletzte Mittel ist. Solange es möglich ist, weniger einschneidende Maßnahmen zu ergreifen, muss dies geschehen. Das gilt auch dann, wenn die weniger intensive Maßnahme für das Krankenhauspersonal mit einigem Mehraufwand verbunden ist. Die Checkliste muss alle maßgeblichen Abgrenzungskriterien enthalten, nach denen die Zulässigkeit der freiheitseinschränkenden Maßnahmen zu prüfen ist. Das umfasst auch mögliche Alternativen zur Fixierung. Hierzu zählen z.B. Sedierungen oder das Verbringen in einem abgeschlossenen Raum, in dem sich der Patient dann aber bewegen kann. Bei einigen Maßnahmen, z.B. bei einer 5-Punkt- oder 7-Punkt-Fixierung stellt die Rechtsprechung zusätzliche Anforderungen, die unbedingt einzuhalten sind. In diesen Fällen wird eine eins-zu-eins-Betreuung des Patienten durch therapeutisches oder pflegerisches Personal verlangt. Das kann mitunter zu erheblichen organisatorischen Anforderungen führen, die zu leisten sind. Auch hierfür sollte die Checkliste aufzeigen, wie der notwendige Personalbedarf kurzfristig gedeckt werden kann.
Wichtiger Prüfungspunkt ist die Zeitdauer. Maßnahmen, die voraussehbar nach einer halben Stunde nicht beendet sind, unterliegen dem richterlichen Genehmigungsvorbehalt. Die Amtsgerichte stellen jeden Tag einen richterlichen Notdienst von mindestens 6:00 Uhr bis 21:00 Uhr zur Verfügung. Die Möglichkeit, zeitnah eine richterliche Entscheidung einzuholen, ist außerhalb der Nachtzeiten also möglich. Die Checkliste muss Angaben zur telefonischen Erreichbarkeit des zuständigen Gerichts enthalten. Soweit mit dem zuständigen Gericht darüberhinausgehende Verfahrensabläufe besprochen sind (z.B. die Verwendung eines standardisierten Meldeformulars), ist dies ebenfalls festzuhalten. Dauert die Fixierung länger an, ist im Zeitverlauf zu prüfen, ob sie weiterhin erforderlich ist. Sobald sie nicht mehr erforderlich ist, muss die Fixierung beendet werden. Nach Beendigung der Fixierung ist der Betroffene auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Zulässigkeit der durchgeführten Maßnahme gerichtlich überprüfen zu lassen.
Weiter wichtig sind klare Vorgaben, wie freiheitsbeschränkende Maßnahmen zu dokumentieren sind. Empfindet der Patient nämlich im Nachhinein, dass bei ihm eine freiheitsbeschränkende Maßnahme zu Unrecht durchgeführt wurde, kann es zu Strafanzeigen, Schmerzensgeld- und Schadensersatzforderungen kommen. Ohne eine umfassende Dokumentation wird es den betroffenen Ärztinnen und Ärzten sowie dem Krankenhaus kaum möglich sein, erforderliche Nachweise zu erbringen. Die Etablierung eines sicheren Handlungsrahmens ist daher eine wichtige Compliance-Aufgabe, die von der Geschäftsleitung eines Krankenhauses zu bewältigen ist.
Autor: Volker Ettwig, Rechtsanwalt, Tsambikakis & Partner Rechtsanwälte mbB
erschienen in KU Gesundheitsmanagement 03/2021