Anja Himmelsbach, Leiterin Unternehmenskommunikation und Marketing, Helios Klinikum Berlin-Buch

Welche Ihrer Vorzüge werden verkannt?
Ich erlebe häufig, dass ich aufgrund meines Auftretens nicht sofort so ernst genommen werde wie beispielsweise männliche, ältere Kollegen im Anzug. Die Gesundheitsbranche ist auch heute noch eher konservativ. Ich hingegen wurde beruflich im Online Marketing und E-Commerce sozialisiert. In diesen Bereichen ist es egal, wie man aussieht. Man duzt sich konsequent auch mit dem C-Level und Titel wie unternehmensinterne Innenpolitik spielen dort kaum eine Rolle. Ich falle wahrscheinlich deshalb auch heute noch bei den meisten Kolleg*innen durch eine etwas unkonventionelle Art auf und überzeuge meist erst, wenn es konkret um Inhalte und strategische oder pragmatische Lösungen geht. Mit den Jahren habe ich allerdings gelernt, die anfängliche Fehleinschätzung meiner Person und den damit einhergehenden Überraschungseffekt, den mein Know-how und meine Erfahrung mir bescheren, zu meinem Vorteil zu nutzen.
Was war Ihre größte Fehlentscheidung und was haben Sie daraus gelernt?
Wenn ich auf meine beruflichen Entscheidungen zurückblicke, gibt es keine konkrete Fehlentscheidung, die ich anführen könnte. Aber ich habe früher sehr viel energischer und bedingungsloser Projekte orangetrieben und meine Entscheidungen vertreten. Dabei ist es vorgekommen, dass ich Menschen vor den Kopf gestoßen und nicht dort abgeholt und mitgenommen habe, wo sie sich gerade befanden. Diese Eigenschaft habe ich relativ schnell abgelegt, weil davon der Erfolg meiner Arbeit maßgeblich beeinflusst wurde. Heute weiß ich, dass Projekte nur im Team richtig gut und erfolgreich werden können. Ich habe gelernt, wie wichtig es ist, wirklich zuzuhören und, wenn nötig, auch einmal andere Wege und Lösungsansätze in Erwägung zu ziehen, Fehler zuzulassen und als wichtigen Erkenntnisprozess zu begreifen. Meine Grundhaltung ist durch eine sehr positive Fehlerkultur geprägt. Fehler gehören für mich im Leben dazu – sowohl auf privater als auch auf beruflicher Ebene.
Welches politische Projekt sollte schnell umgesetzt werden?
Neben dem nationalen und globalen politischen Geschehen werfe ich natürlich immer einen genaueren Blick auf das Gesundheitswesen. Wenn ich mir aktuell international die Entwicklung in der Gesundheitsbranche anschaue, stelle ich immer wieder fest, wie weit wir in Deutschland hinterherhängen. Andere große amerikanische und asiatische Unternehmen weisen eine ganz klare Nutzerzentrierung vor und schaffen Angebote, die von den Patienten gern angenommen werden. Wir sind meiner Meinung nach noch zu stark damit beschäftigt, uns selbst zu verwalten, suchen immer nach 100 Prozent-Lösungen und vertun damit die Chance, eigene Lösungen und innovative Alternativen zu Bestehendem am Markt zu platzieren. Hier wünsche ich mir mehr Mut und Entschlossenheit, weil wir sonst Gefahr laufen, in absehbarer Zeit im internationalen Vergleich nur noch eine marginale Rolle zu spielen und fern jeder Konkurrenz zu sein.
Was ertragen Sie nur mit Humor?
Guter Humor ist für mich eine der wichtigsten Eigenschaften bei Menschen. Humor verbindet und Lachen macht so unglaublich glücklich, dass ich darauf nie verzichten könnte. Mein Humor begleitet mich daher durch den ganzen Tag und hilft mir dabei, Dinge und Entscheidungen zu akzeptieren, die ich nicht für klug halte, aber nicht ändern kann.
Wie können Sie am besten Stress abbauen?
Ich bin ein sehr rastloser Mensch und habe unglaublich viel Freude an Bewegung. Daher entspanne ich, wenn ich körperlich aktiv bin. Am liebsten laufe ich, fahre mit dem Rad, tanze oder schalte bei langen Wanderungen durch die Berge richtig ab. Wenn ich richtig erschöpft bin, geht es mir oft am besten, was vermutlich daran liegt, dass ich im Arbeitsalltag nur mit dem Kopf arbeite. Physische Anstrengung ist der nötige Ausgleich zu meinem Berufsalltag und macht mich sehr glücklich.
Quelle: KU Gesundheitsmanagement 05/2021