Information oder schon Werbung?

Die Nutzung von Internet-Plattformen zur Patientengewinnung ist nicht per se unzulässig. Aber die Grenze zulässiger Information darf nicht überschritten werden, damit Verstöße gegen die einschlägigen Berufsordnungen vermieden werden. Es ist zu unterscheiden zwischen sachlicher Information über die ärztliche Berufstätigkeit und berufsrechtswidriger Werbung.
Wenn es der Geschäftsführung gelungen ist, Top-Spezialisten zu gewinnen, dann möchte sie auch, dass potenzielle Patientinnen und Patienten diese wahrnehmen. Auf der anderen Seite suchen Patienten oftmals nach besonders qualifizierten und erfahrenen Ärzten für ihr Krankheitsbild oder auch für eine kosmetische Operation, die sie durchführen lassen möchten. Ärzte und Patienten „treffen“ sich womöglich auf einer Internet-Plattform, auf der ärztliche Leistungen dargestellt bzw. gesucht werden können. Klingt einfach, logisch und zweckmäßig. Aber hier ist Vorsicht geboten. Unter Compliance-Gesichtspunkten sollten die von der Internet-Plattform angebotenen Leistungen genau unter die Lupe genommen werden.
Wir erinnern uns an die Fälle, bei denen in Deutschland zugelassene Ärzte ausländischer Herkunft, Patienten aus dem Ausland gegen Provision an deutsche Krankenhäuser vermittelten. Dies sah die Rechtsprechung regelmäßig als berufsrechtswidrig an. Das Geschäftsmodell hat sich nicht durchgesetzt. Andererseits wurde die Nutzung einer Internet-Plattform, auf der interessierte Patienten gegen eine geringe Gebühr in anonymisierter Form Heil- und Kostenpläne ihres Zahnarztes zum Zwecke der Einholung von Vergleichsangeboten anderer Zahnärzte einstellen konnten, als rechtlich zulässig angesehen. Worin liegt der Unterschied? Die Nutzung einer Internet-Plattform, über die es letztlich zu Kontakten zwischen Ärzten und Patienten kommt, stellt für sich genommen keinen Rechtsverstoß dar.
Keine berufsrechtswidrige Werbung
Die einschlägigen Berufsordnungen erlauben Ärzten, sachlich auf ihre Kenntnisse und Fähigkeiten hinzuweisen. Nicht zulässig ist hingegen die anpreisende Werbung für ärztliche Leistungen. Darüber hinaus gehende Darstellungen (z.B. „Top-Arzt“) sind zu vermeiden. Guter Indikator, welche Darstellung zulässig ist, sind oftmals die Beschreibungen der ärztlichen Leistungen auf den Internetseiten der Krankenhäuser. Bei der Nutzung von Internet-Plattformen sollte die Darstellung der Leistungen und Fähigkeiten der Ärzte nicht über die Internetseiten des Krankenhauses hinausgehen.
Leistungsangebot von Internet-Plattform
Von entscheidender Bedeutung ist, welche Leistungen die Internet-Plattform anbietet und wie diese vergütet werden. Dient die Plattform dazu, das Leistungsspektrum der Ärzte objektiv darzustellen und erhält sie ein Entgelt für die Nutzungsmöglichkeit, ist das in der Regel nicht zu beanstanden. Wenn die Plattform aber weitere Dienstleistungen anbietet, die letztlich dazu führen, dass Patienten an bestimmte Ärzte vermittelt werden, dann ist die Grenze des Zulässigen regelmäßig überschritten. Bedenklich ist, wenn sich z.B. Ärzte gegen Entgelt in die Gruppe der „Top-Ärzte“ ihres jeweiligen Fachgebiets aufnehmen lassen können. Oder wenn die Internet-Plattform anbietet, Ärzte aktiv zu unterstützen, damit sie in einschlägigen Bewertungsportalen positiv wahrgenommen werden, sollte man sehr genau hinsehen. Diese Leistungskomponenten können unzulässig sein.
Die Berufsordnungen für Ärzte verfolgen das Ziel, eine Kommerzialisierung zu verhindern, die dem Selbstverständnis des Arztberufs widerspricht. Vor der Entscheidung für die Nutzung einer Internet-Plattform ist also die Frage zu klären, ob es um objektive Information geht oder ob letztlich die Entscheidung der Patienten gelenkt und so Patientenströme gesteuert werden sollen. Letzteres ist zu vermeiden, um insbesondere berufsrechtliche Folgen auszuschließen. Darüber hinaus stellen sich dann auch wirtschaftliche Fragen. Falls Behandlungsverträge als sittenwidrig angesehen würden, weil sie unzulässig vermittelt wurden, könnte das Krankenhaus seine Forderungen gegen Patienten und Kostenträger nicht durchsetzen. Schon allein deswegen ist genaues Hinschauen erforderlich.
Autor: Volker Ettwig, Rechtsanwalt, Certified Compliance Expert, Standortleiter Berlin, Tsambikakis & Partner Rechtsanwälte mbB
erschienen in KU Gesundheitsmanagement 05/2021