Kaum ein Thema ist derzeit so präsent in den Medien wie Covid-19. Kontaktreduktionen, Hygieneregeln, Mund-Nasen-Schutz, Lüften und verschiedene Formen des Lockdowns waren bisher Mittel, um die Pandemie einzudämmen. Langfristig betrachtet gelten Impfungen für die Bevölkerung als Hoffnungsschimmer gegen das Virus. Die Rückkehr zur Normalität geht allerdings nach Ansicht vieler nur schleppend voran.

Obwohl das Ziel, die Pandemie so schnell wie möglich zu bekämpfen, das gleiche ist, unterscheiden sich die Ansätze und Strategien zur Impfung international deutlich, da die spezifischen Herausforderungen stark variieren. Doch wie lauten die Herausforderungen und Ziele und welche übergeordneten Unterschiede gibt es bei den Impfstrategien? Hier ein Vergleich:
- Israel wird oftmals als „Impfweltmeister“ tituliert, da das Land die höchste Impfquote weltweit aufweist. Das Gesundheitssystem kennzeichnet sich durch einen hohen Grad an Digitalisierung, sodass Effekte der Impfungen schnell und gut analysiert werden können. Dies liegt an den verfügbaren Krankenakten der letzten 25 Jahre, welche eine vertiefte Auswertung der Impfungen ermöglichen. Israels Impfkampagne wird zur Feldstudie für Pharmahersteller und dient als Erkenntnisgewinn für andere Länder im Kampf gegen die Pandemie. Zudem wurde vor dem Impfstart eine Prioritätenliste erstellt und alle Impfkandidaten wurden persönlich kontaktiert. Der Kauf von großen Impfstoffmengen erfolgte frühzeitig und zu höheren Preisen, um das Ziel – Herdenimmunität bis März 2021 – zu erreichen. Dazu sollen auch die Impfzentren beitragen, die rund um die Uhr geöffnet haben.
- Brasilien, als das bevölkerungsreichste Land in dieser Betrachtung, weist eine hohe Anzahl an Infektionen auf. Dazu kommt, dass der Präsident sich in der Öffentlichkeit als impfkritisch zeigt und Vorbehalte an Impfstoffen geäußert werden, die in China entwickelt und/oder produziert worden sind. Aufgrund der Tatsache, dass die Regierung die Erforschung und Herstellung im eigenen Land dem Import vorzieht, kommt es zu zeitlichen Verzögerungen, die sich in der niedrigen aktuellen Impfquote widerspiegeln.
- Frankreich hat vergleichbare Rahmenbedingungen wie Deutschland. Allerdings gibt es dort eine stark ausgeprägte Impfskepsis. Derzeit sind nur etwa 48 Prozent der Bevölkerung bereit, sich gegen Corona impfen zu lassen, während es in Deutschland aktuell etwa 62 Prozent sind. Die französische Regierung fährt daher einen vorsichtigen, zeitintensiven Ansatz, um die Skepsis mit Hilfe von Vorgesprächen zu mindern. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den besonders gefährdeten älteren Personengruppen. Des Weiteren wurde ein Bürgerkollektiv gebildet, welches die Impfkampagne begleiten soll. Das Vorgehen bestand darin, dass 35 Personen aus der Bevölkerung ausgelost wurden, wobei Kriterien, wie zum Beispiel Alter, Geschlecht oder Grad des Abschlusses eine Rolle spielten. Außerdem fand eine Befragung zu ihrer Impfbereitschaft gegen Covid-19 statt. Dies soll eine gute Repräsentativität gewährleisten, wenn sowohl kritische als auch befürwortende Stimmen vertreten sind. Das Bürgerkollektiv hat nun die Aufgabe, Empfehlungen zur Impfstrategie abzugeben und Maßnahmen vorzuschlagen, um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu fördern.
Es zeigt sich, dass die Rahmenbedingungen der jeweiligen Länder einen starken Einfluss auf die Impfstrategie haben. Schwellenländer wie Südafrika oder Indien hatten gefordert, dass auch ärmere Länder einen den Erfordernissen angemessenen Zugang zu Vakzinen und weiteren relevanten Medikamenten bekommen, um die Pandemie langfristig zu bekämpfen. Es bleibt abzuwarten, ob und welche Maßnahmen hier noch ergriffen werden. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass das Risiko für die Gesamtbevölkerung durch gefährliche Mutationen von SARS-CoV-2 steigt.
Bei den unterschiedlichen Strategien sollten neben den spezifischen Rahmenbedingungen in den einzelnen Ländern weder der weltweite Gesamtzusammenhang noch die individuellen Bedürfnisse jedes Einzelnen außer Acht gelassen werden.
Autor: Julia Kaub, Partner, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
erschienen in KU Gesundheitsmanagement 04/2021