Eine nur vermeintlich gute Lösung

Honorarärzte können sich in Online-Verfahren selbst testen, ob sie scheinselbständigkeitsgefährdet sind. Sind sie es nicht, erhalten sie ein Zertifikat. Doch ersetzt dies das Statusfeststellungsverfahren bei der DRV Bund? Der Beitrag zeigt auf, wo die Risiken beim Online-Zertifikat liegen.
Die Zeiten waren für Personaler viel einfacher, als man noch punktuellen Personalbedarf durch den Einsatz von Honorarärzten ausgleichen konnte. Agenturen boten genügend einsatzwillige Honorarärzte an, die Abwicklung war einfach und die Kosten noch im Rahmen. Seit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu Honorarärzten im Jahr2019 ist der Traum nun ausgeträumt. Wirklich?
Seit kurzem soll es wieder möglich sein, rechtssicher Honorarärzte –und andere Honorarkräfte – einsetzen zu können. Dienstleisterbieten Online-Zertifikate an, die die Sozialversicherungsfreiheit bescheinigen. Der Honorararzt muss zunächst online einen Fragebogenausfüllen, um zu einer ganzheitlichen Bewertung der (Schein-)Selbständigkeit zu gelangen. Ein Algorithmus ermittelt, ob es sich um Selbständigkeit handelt oder nicht. Am Ende des Verfahrens hält der Honorararzt ein Zertifikat in den Händen, das ihm bescheinigt, nicht scheinselbständigkeitsgefährdet zu sein. Und die Kosten für die Zertifizierung trägt der Honorararzt selbst. Mit dem Zertifikatausgestattet wendet er sich nun an Krankenhäuser, die ihn einsetzen könnten. Und das Krankenhaus kann online den Status des Zertifikats prüfen.
Freilich ist man vorsichtig genug das Zertifizierungsverfahren nicht als sicheren Ersatz für ein Statusfeststellungsverfahren anzupreisen .Eine allein vom Honorararztvorgenommene Zertifizierung ist nämlich mit erheblichen Risiken behaftet, weil im Statusfeststellungsverfahrender Honorararzt und das Krankenhaus zum Vorliegender erforderlichen Kriterien befragt werden. Und im Statusfeststellungsverfahren wird ein einzelnes konkretes Auftragsverhältnisbewertet und eben nicht eine ganzheitliche Bewertung der selbständigen Tätigkeit vorgenommen. Diese wesentlichen Unterschiede im Ansatz werden regelmäßig auch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen Die Prüfungspraxis der DRV Bund seit den Entscheidungen des BSGs zeigt, dass es so gut wie ausgeschlossen ist, als Honorararzt als nicht sozialversicherungspflichtig anerkannt zu werden. Ein Zertifikat, das Gegenteiliges bescheinigt, wiegt das Krankenhaus in einer Scheinsicherheit. Im Rahmen der nächsten Betriebsprüfung wird das Thema nachgeprüft. Es steht zu erwarten, dass die zertifizierten Ärzte in der Regel nicht als selbstständig anerkannt werden.
Dann droht die Nachzahlung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteilen. Hinzu kommen Säumniszuschläge. Man kann seit den Entscheidungen des BSGs nicht darauf vertrauen, dass das gut geht. Wird kein Statusfeststellungsverfahren bei der DRV Bund durchgeführt, kann dies als leichtfertigbewertet werden. Dann droht zusätzlich ein Bußgeld wegen Verstoßes gegen § 8 Abs. 3 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz. Auch ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen § 266a Strafgesetzbuch kann nicht ausgeschlossen werden. Bereits in einer Entscheidung aus dem Jahr 2011 hat das BSG angedeutet, dass man bei Unklarheiten vom Arbeitgeber erwarten dürfe, ein Statusfeststellungsverfahren durchzuführen.
Sollte einmal ein Honorararztdurch bewusst unzutreffende Angaben ein Zertifikat erlangen, verbleibt das sozialversicherungsrechtliche Risiko gleichwohl beim Krankenhaus. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, dem bleibt nur das Statusfeststellungsverfahren. Dieses durchzuführen wird ausdrücklich empfohlen, auch wenn es mit erheblichen Aufwand und Lästigkeiten verbunden ist.
Autor: Volker Ettwig, Rechtsanwalt, Certified Compliance Expert, Standortleiter Berlin, Tsambikakis & Partner Rechtsanwälte mbB
erschienen in KU Gesundheitsmanagement 06/2021