Änderung des Pflegepersonalstärkungsgesetz § 109 SGB V „Abschluss von Versorgungsverträgen mit Krankenhäusern“, die in Absatz 5 die Verjährungsfristen neu regelt, stellt Krankenhäuser erneut vor bürokratische Herausforderungen
Forchheim. Im Absatz 5 steht: „Ansprüche der Krankenhäuser auf Vergütung erbrachter Leistungen und Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen verjähren in zwei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind. Dies gilt auch für Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen, die vor dem 1. Januar 2019 entstanden sind. Satz 1 gilt nicht für Ansprüche der Krankenhäuser auf Vergütung erbrachter Leistungen, die vor dem 1. Januar 2019 entstanden sind. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend.“
Forderungen des Krankenhauses gegen die Krankenkasse und Aufrechnen
Für Kliniken bedeutet dies, dass die Verjährung zum Ende des Jahres 2021 möglicherweise auch bei ‚Altfällen‘ für Forderungen der Kliniken geprüft werden muss, die in den Jahren vor 2019 entstanden sind. Dies liegt daran, dass die Krankenkassen derzeit streitige Forderungen noch verrechnen dürfen.
Aufrechnungen gefährden die Liquidität der Krankenhäuser unmittelbar, da es sich in der Regel um sehr große Summen handelt. Im Zugzwang ist also die Klinik, denn diese muss rechtzeitig vor Ende 2021 Klage einreichen, wenn sie die Verjährung von Ansprüchen verhindern möchte, die durch Aufrechnung der Kasse mit „anderen fälligen unstreitigen Forderungen“ der Klinik aus dem Jahre 2019 entstanden sind.
Die Problematik erläutert folgendes Beispiel:
Die ursprüngliche Abrechnung für Patient A stammt aus dem Jahr 2018, die von der Kasse gemäß des jeweiligen Landesvertrages nach § 112 SGB V auch erst einmal bezahlt wird. Die Verjährungsfrist für Ansprüche der Krankenhäuser aus 2018 beträgt laut Gesetz vier Jahre, eine im Jahr 2018 entstandene Forderung würde also regulär zum Ende 2022 verjähren. Die Krankenkasse zweifelt aber die Korrektheit der Abrechnung aus dem Jahre 2018 für den Patienten A an und lässt diese durch den Medizinischen Dienst überprüfen. Dieser kommt zu dem Ergebnis, dass die Rechnung um 5.000,00 Euro zu kürzen ist, und die Kasse macht gegenüber der Klinik die Rückforderung von 5.000,00 Euro geltend, was die Klinik aber ablehnt.
2019 behandelt das Krankenhaus den Patienten B und legt über diese Behandlung im Jahr 2019 eine Rechnung, die von der Kasse nicht streitig gestellt wird. Die Krankenkasse zieht nun aber 2019 den streitigen Betrag in Höhe von 5.000,00 Euro aus der Behandlung des Patienten A von der unstreitigen und fälligen Rechnung des Patienten B ab. Sie verrechnet also den streitigen Betrag aus der Behandlung für A mit der unstreitigen Forderung des Krankenhauses aus der Behandlung für B, also mit einem der Fälle, die im laufenden Abrechnungsjahr 2019 bezahlt werden müssen.
Die ursprüngliche, im Jahre 2018 entstandene Forderung des Krankenhauses für die Behandlung von Patient A ist durch den Ausgleich der Rechnung im Jahr 2018 erloschen. Diese ursprüngliche Forderung kann also gar nicht mehr eingeklagt werden. Jedoch ist durch die Aufrechnung der Kasse im Jahre 2019 eine offene Forderung aus dem Behandlungsverhältnis für den Patienten B entstanden, und für diese Forderung aus 2019 gilt bereits die zweijährige Verjährungsfrist.
Streitgegenstand eines sozialgerichtlichen Verfahrens ist demzufolge die Forderung B aus 2019, auch wenn es medizinisch‐inhaltlich um die Forderung A geht, und die Forderung B verjährt zum Ende Juristisch betrachtet klagt das Krankenhaus nicht die ursprüngliche Forderung A ein, sondern die unstreitige Forderung B aus 2019, von der der streitige Betrag abgezogen wurde. Daher müssen auch alle Fälle, bei denen 2019 eine Verrechnung vorgenommen wurde – möglicherweise also auch weit zurückliegende Fälle aus 2015 und 2016 ‐ noch einmal hinsichtlich der Erfolgsaussichten einer Klageeinreichung überprüft werden.
Relevant ist der Verrechnungszeitraum, nicht das Rechnungsjahr
Alexandra Schöning‐Eisenbraun, Geschäftsführerin von DRG‐Control ‐ einem Unternehmen in Gräfenberg, Oberfranken, das sich auf die Überprüfung von Krankenhausabrechnungen im Auftrag der Kliniken spezialisiert hat – erklärt: „Viele Häuser haben ihre Forderungen dem ursprünglichen Rechnungsjahr in ihrer Finanzbuchhaltung zugeordnet und nicht dem Jahr, in dem die Verrechnung tatsächlich an einem anderen Fall erfolgte. Für die Medizincontrollerin bedeutet das aber, dass ein Fall der 2018 strittig gestellt wurde und dessen Verrechnung der Abrechnung 2019 buchhalterisch zugeordnet wurde, noch über das Sozialgericht anfechtbar ist bis Ende des Jahres 2021. Jede einzelne strittige Rechnung mit erfolgter Verrechnung muss auf den tatsächlichen Verrechnungszeitraum hin geprüft werden. Das ist nicht immer das ursprüngliche Rechnungsjahr. Es gelten die jeweiligen Abrechnungsmodalitäten zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung und nicht die Beurteilung der Codierung aus heutiger Sicht.“
Rechtsanwältin Sharon Hochgräber von gghw rechtsanwaelte, Berlin, empfiehlt den Krankenhäusern, bereits jetzt alle im Jahr 2019 verrechneten Fälle auf die Erfolgsaussichten einer Klage zu prüfen und gegebenenfalls vorzubereiten, da es zum Jahresende hin erfahrungsgemäß immer eng wird. Alternativ sollten sich die Kliniken frühzeitig um Erklärungen der Kassen zum Verzicht auf die Einrede der Verjährung bemühen.
Quelle: www.drg-control.com