Interview mit Geschäftsführer Hans-Peter Zimmermann und Oberbürgermeister sowie Aufsichtsratsvorsitzendem Uwe Richrath
Vor gut zwei Wochen traf uns die Naturkatastrophe mit aller Härte. Seitdem läuft der Wiederaufbau des Klinikums – eine anstrengende Zeit für uns alle. Wie kommen Sie persönlich zurecht, Herr Zimmermann?
Ich muss gestehen, dass ich nach dem operativen Geschäft, wenn ich abends zur Ruhe komme, die Ereignisse dieser Nacht nachstelle und fast jede Nacht davon träume. Ich durchlebe diese Nacht von dem Zeitpunkt, wo wir am Spätnachmittag an der Dhünn standen und spekulierten, ob hier etwas passieren kann oder nicht, bis hin zum Zeitpunkt spät in der Nacht bzw. am frühen Morgen der Evakuierung. Die Anspannung für alle war enorm. Und ich stelle mir in diesen unruhigen Nächten immer wieder die Frage: Hätten wir an irgendeiner Stelle etwas besser machen können? Haben wir vielleicht sogar Fehler gemacht? Und ich komme dann im Morgengrauen immer zu der gleichen Erkenntnis: Es war eine unvorhersehbare Naturkatastrophe und wir haben, insbesondere Dank der Vielzahl der Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter und Helfern intuitiv alles richtig gemacht.
Was hat Sie aus den letzten Wochen am nachhaltigsten beeindruckt?
Besonders beeindruckend fand ich den Zusammenhalt der Mitarbeitenden – das Abteilungs-, Berufsgruppen- und firmenübergreifende Zusammenwirken mit Hilfskräften von Feuerwehr und Maltesern (um hier nur zwei Hilfsorganisationen zu nennen). Und dass wir nach der Wiedereröffnung zusammengerückt sind. Die Freude der Wiedereröffnung hat überwogen, so war mein Eindruck. Deshalb waren auch viele gewillt die neuen Stationszusammenschlüsse und weitere Improvisation, die es ermöglichen, dass wir 511 Betten wieder aufmachen können, zu akzeptieren. Mich hat außerdem gefreut, dass man in Leverkusen gespürt hat, wie wichtig der Gesundheitspark Leverkusen für die Gesundheitsversorgung ist.
Deshalb bin ich sehr emotional, dass unser alter Kreißsaal nicht mehr zur Verfügung steht und auch unser neuer Kreißsaal, den wir ja im Oktober feierlich in Betrieb nehmen wollten, durch die zerstörte technische Hausversorgung nicht pünktlich eröffnet werden kann. Umso froher bin ich, dass wir auf der C-Station eine gute Übergangssituation geschaffen haben. Das sind nur einige wenige Punkte, die besonders waren in diesen Tagen.
Herr Oberbürgermeister, wie haben Sie die Nacht des 14. auf den 15. Juli erlebt?
Ich war im Krisenstab bei der Feuerwehr und stand telefonisch im Austausch mit Herrn Zimmermann. Wir haben zusammen mit der Feuerwehr versucht, das Klinikum Leverkusen so lange wie möglich zu halten. Irgendwann haben wir gemeinsam erkannt, dass das nicht möglich ist, und wir mussten die Evakuierung einleiten. Ich war in Gedanken die ganze Zeit bei der riesigen Herausforderung, die das Personal nun vor sich hatte. Ich bin sehr stolz darauf, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diese extreme Herausforderung so gut gemeistert haben. Sie haben Erwachsene und Kinder gerettet und hatten eine hohe Verantwortung zu tragen. Sie haben dem Druck standgehalten. Es hat sich gezeigt, was für hochprofessionelles Personal und tolle Persönlichkeiten im Klinikum arbeiten. Respekt und Anerkennung von Seiten der Stadt Leverkusen.
Sprechen wir konkreter über die Schäden und das Thema Finanzierung des Wiederaufbaus. Können Sie die Schadenssumme inzwischen etwas konkretisieren, Herr Zimmermann?
Die Ministerien von Land und Bund, die im Hintergrund die Förderprogramme für die Betroffenen Kommunen und Krankenhäuser auflegen, wollten von uns bereits erst Schätzungen haben. Diese Schätzungen können jetzt am Anfang nur grob sein, da sie noch ohne Gutachter erfolgen mussten. Wir haben eine Schadenshöhe von ca. 40 Millionen Euro gemeldet. Inzwischen waren auch einige Versicherungsvertreter bei uns im Klinikum, um die Schäden aufzunehmen. Wir sind froh, dass die ersten Einschätzungen bei den Versicherungen für Gebäude, Inhalt, Elektronik und Bauleistungen ergeben haben, dass wir zum Teil ausreichende Deckung haben. Unsere Elementarversicherung und die Versicherung für Betriebsunterbrechung sind jedoch auf einen bestimmten Millionenbetrag gedeckelt, daher werden diese Regulierungen nicht ausreichen. Insofern gehen wir davon aus, dass wir 15 bis 20 Millionen Euro von den Versicherungen erwarten können, aber rund 25 Millionen Euro noch ungedeckt sind. Diese Summe können wir alleine nicht stemmen. Und schon wächst der Druck, mit maximalem Umsatz und gesteuertem Aufwand, zu helfen, den Schaden zu begrenzen.
Herr Richrath, Sie waren Freitag, den 23.07.2021 zusammen mit NRW-Gesundheitsminister Laumann im Klinikum und haben intensive Gespräche mit ihm geführt. Können wir mit der finanziellen Hilfe des Landes NRW rechnen?
Die erste Aussage von Herrn Laumann, nachdem er die Zerstörung durch die Hochwasserkatastrophe bei uns im Klinikum gesehen hat, war: „Da muss ich helfen.“ Das hat er direkt gesagt. Er will uns im Wiederaufbau unterstützen. Er war nicht nur im Klinikum, um zu gucken. Er war hier um konkret zu besprechen, wie finanzielle Hilfen aussehen könnten. Und in diesem Sinne hat er mir, hat er uns versichert, dass er im Kabinett dafür kämpfen will, dass uns der Wiederaufbau ohne finanziellen Schaden gelingt. Konkret sollen, die fehlenden 25 Millionen Euro für den Wiederaufbau durch das Land abgesichert werden. Er weiß, wie wichtig das Klinikum Leverkusen für die Region und die Stadt ist.
Und genau in diesem Wiederaufbau stecken wir aktuell, Herr Zimmermann. Können Sie uns den Stand der Dinge erörtern?
Wir haben in den letzten zwei Wochen nicht nur Schäden aufgenommen, sondern waren gleich auch bemüht Schäden zu reparieren; wenn auch nur provisorisch, damit wir in großen Teilen wieder in Betrieb gehen konnten. Das ist uns gelungen und zwar Dank des enormen Einsatzes unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ein herzliches Dankeschön an die technische Abteilung und die Hauswirtschaft, wenn ich einmal die Klinikum Leverkusen Service Gesellschaft (KLS) hervorheben darf, die unauffällig und selbstverständlich mit ihren Vorgesetzten hervorragend gewirkt haben. Sie können sich vorstellen, das Wasser hat eine Menge Schlamm und Dreck hinterlassen. Die Seite 6/8 Hauswirtschafterinnen sind enorm gefordert gewesen und haben die zusätzliche externer Hilfe koordiniert und in kürzester Zeit die Betriebsbereitschaft wiederhergestellt. Wir haben nun 511 Betten, die wir betreiben können. Die OPs und der Kreißsaal laufen wieder und in allen Kliniken werden Patientinnen und Patienten behandelt.
Ich bin so stolz, dass wir die Zytostatikabehandlung in Kooperation mit dem Krankenhaus Merheim sicherstellen konnten. Wir hatten bereits wenige Tage nach der Naturkatastrophe die ambulante Zytostatikabehandlung in Leverkusen wiederaufgenommen, und seit Anfang dieser Woche bereiten wir die Zytostatika wieder in unserem Hause zu. Das ist eine wirkliche Gemeinschaftsleistung zwischen den Apothekerinnen und Apothekern und Mitarbeiterinnen der verschiedenen Häuser. Wir haben die parenterale Ernährung, die ja so elementar notwendig für die Versorgung der Frühgeborenen ist, wieder aufgebaut. Unser Apothekenteam ist dafür mit einem Lieferfahrzeug voll Equipment nach Dormagen gereist und hat sich dort eingerichtet, sodass wir selber dort im Rheinland Klinikum die Herstellung in gewohnte Qualität sicherstellen konnten. Wir haben immer noch viele Arztzimmer und auch Untersuchungszimmer ohne einen Netzwerkanschluss und drei Gebäude (1D und 1E sowie 1L) können nicht umfassend mit Strom versorgt werden. Wir haben aber bereits alle notwendigen Bestellungen für die Reparaturen ausgelöst bzw. kurz vor der Vergabe, damit wir sukzessive in den Urzustand zurückfinden. Ich schätze, dass wir in spätestens 10 bis 15 Wochen wieder nahe dem Normalmodus sind.
Werden Sie die gesamte Technik und Stromversorgung wieder am gleichen Standort nahe der Dhünn aufbauen, Herr Zimmermann?
Es gibt es eine Studie aus dem Jahr 2014 zu einem 100-jährigen Hochwasser in unserer Lage. Das sind die Werte, an denen wir und die Baubehörden uns bisher orientiert haben, die aber nicht ausgereicht haben. Das Hochwasser am 14. Juli 2021 hat diese 100-jährige Hochwassermarke deutlich überschritten.Nun haben wir eine neue Studie zur zukünftigen Unterbringung der Notstromaggregate beauftragt. Diese sind ja bekanntermaßen ausgefallen, weil sie dem Hochwasser ausgesetzt waren. Wir wollen diese Notstromaggregate nicht nur ersetzen, sondern diese auch an hochwassersichere Standorte verlegen. Bereits vor der Naturkatastrophe haben wir an der Hauptstromversorgung gearbeitet. Das war an den Baustellen in den letzten Monaten hier erkennbar. Der Standort dieser neuen Trafos liegt über der Hochwasserniveau der Katastrophe. Die Hauptstromeinspeisung des Hauses ist also gesichert. Ich gehe davon aus, dass die behördlichen Auflagen und Bestimmungen neu definiert werden und die bisherige Hochwassermarke neu definiert und verbindlich vorgeschrieben wird. Auch die Krankenhausbauverordnung gilt es zu aktualisieren, damit auch teurere Unterbringungen von Versorgungseinrichtungen refinanzierbar werden.
Quelle: www.klinikum-lev.de