Betriebsärzte gegen Covid-19
Seit dem 07. Juni 2021 werden auch Betriebsärzte verstärkt in die Covid-19-Impfkampagne einbezogen. Die rechtliche Grundlage hierfür bildet die Coronavirus-Impfverordnung, welche ständigen Änderungen unterliegt. Für Unternehmen und Betriebsärzte ist es aufgrund der dynamischen Entwicklungen wichtig, stets informiert zu bleiben und Änderungen gegebenenfalls zügig in die betriebsinternen Impfabläufe zu integrieren.
Impfzentren, mobile Impfteams, Arztpraxen und nun auch Betriebsärzte – die nationale Impfkampagne ist in vollem Gange. Für Beschäftigte eines Unternehmens scheint es dabei besonders komfortabel, sich zwischen Teammeetings und Telefonkonferenzen schnell in der Mittagspause impfen zu lassen. Aber wie läuft die Einbindung der Betriebsärzte ab und welche Fragen sind gegenwärtig noch ungeklärt? Aktuelle Zeitungsartikel und Pressemitteilungen klingen vielversprechend: Die Betriebsärzte vieler Unternehmen kommen mit den Impfungen gut voran und rechnen damit, bald schon allen Impfwilligen ein Angebot machen zu können.
Auch gewisse organisatorische Herausforderungen haben sich mittlerweile erübrigt, da beispielsweise eine Angliederung des jeweiligen Betriebsarztes an ein bestimmtes Impfzentrum nicht mehr erforderlich ist. Zudem ist die Bestellung von Impfstoff nicht an einen bestimmten Betrieb oder dessen Belegschaft gebunden, weshalb Angehörige der Belegschaft oder sogar Anwohner, Zulieferer und sonstige Dritte ebenfalls durch Betriebsärzte geimpft werden können.
Um einen reibungslosen Ablauf von Impfaktionen zu gewährleisten und dabei Haftungsrisiken zu vermeiden, werden neben den Betriebsärzten aber häufig weitere unternehmensinterne Ressourcen in erheblichem Ausmaß beansprucht. Denn nicht nur die Durchführung der Impfungen selbst, sondern auch die Terminvergabe, ärztliche Aufklärung und Überwachung, Dokumentation und Meldungen für die Impfsurveillence müssen wohlorganisiert sein. Die Möglichkeiten und Grenzen der Delegation ärztlicher Leistungen im Gesundheitswesen unterliegen strengen Vorgaben, wobei die aktuelle Corona-Impfverordnung auf bestimmte Zweifelsfragen bisher keine eindeutigen Antworten liefert.
Unabhängig von der gewählten Gestaltungsvariante ist die Verantwortung – und damit auch die Haftung – für die Organisation und Durchführung der betriebsinternen Impfungen gegenwärtig wohl bei den Betriebsärzten selbst zu verorten. Dass ein ausreichender Deckungsschutz über die Betriebshaftpflichtversicherung sichergestellt ist, sollte im Zweifel mit dem Versicherer abgestimmt werden. Hiervon zu trennen ist die Frage nach der Versorgung bei sogenannten Impfschäden, welche gesondert in § 60 IfSG geregelt ist.
Eine betriebliche Veranlassung der Impfungen und eine damit einhergehende Haftung des Arbeitgebers ist im Regelfall wohl nicht anzunehmen. Diskutiert wird in diesem Zusammenhang gegenwärtig, ob in Ausnahmefällen die Anordnung einer betrieblichen Impfpflicht in Betracht kommen kann. Eindeutige Antworten gibt es hierauf nicht – sollte eine entsprechende Anordnung in Betracht gezogen werden, ist jedenfalls eine frühzeitige Abstimmung mit dem Betriebsrat zu empfehlen.
Auch wenn bestimmte Auslegungs- und Umsetzungsfragen noch offen sind, können sich Unternehmen und Betriebsärzte aber im Allgemeinen nicht über einen Mangel an Informationsmaterialen beklagen: Neben zahlreichen FAQs von Bund und Ländern und einem Leitfaden zum Impfen der BDA stehen zahlreiche Merkblätter und Handreichungen zu den Impfstoffen, dem Impf-Management, dem Bestellprozess und der Lieferung zur Verfügung. Da die Empfehlungen zu relevanten Themen – wie z.B. den Abständen zwischen Erst- und Zweitimpfungen sowie sogenannten Kreuzimpfungen – stets entsprechend der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse geändert werden, ist ein besonderes Augenmerk auf die Aktualität der verwendeten Unterlagen zu legen.
Autor: Harald Maas, Partner Healthcare, KPMG Law Rechtanwaltsgesellschaft mbH
erschienen in KU Gesundheitsmanagement 08/2021