Eine Umfrage zeigt positive Veränderungen während Corona

Frankfurt am Main. Im Zuge der Corona-Pandemie mussten sich Krankenhäuser neu organisieren: Traditionelle Abläufe und Strukturen wurden hinterfragt, geändert oder abgeschafft, neue Prozesse und Strukturen in kurzer Zeit implementiert. Eine aktuelle Umfrage zeigt nun, dass Krankenhäuser dadurch teilweise flexibler und agiler geworden sind. Bei den Beschäftigten kommt diese Entwicklung überwiegend gut an – sie könnte deshalb zum Dauerzustand werden.
Die Corona-Pandemie hat die Arbeitswelt in Krankenhäusern massiv verändert. Viele Eingriffe in Prozesse und Abläufe, die wegen der Corona-Krise nötig wurden, kamen beim Personal so gut an, dass die Pandemie womöglich als Testlauf für flexiblere, agilere Krankenhäuser der Zukunft gelten kann. Das ist das zentrale Ergebnis einer Umfrage, die die Business Academy Marburg, die frankfurter akademie für neue arbeitskultur und neue führung sowie die Steinbeis-Hochschule durchgeführt haben. Dabei ging es um die Frage, wie die Corona-bedingten Änderungen der Arbeitswelt in Krankenhäuser von den Beschäftigten wahrgenommen wurden und ob sich die Häuser dadurch zu mehr Agilität und Selbstorganisation entwickeln können.
Das Ergebnis zeigt einen klaren Trend, wonach Krankenhäuser flexibler geworden sind, ihren Beschäftigten mehr Verantwortung überlassen haben und zudem schneller wurden. So war mehr als die Hälfte der Befragten (57 Prozent) in der Gestaltung der arbeitsorganisatorischen Abläufe und Prozesse anpassungsfähiger und agiler als vor Corona. Deutlich weniger (28 Prozent) waren in dieser Zeit weniger agil. Über die Hälfte der Befragten (52 Prozent) gab ebenso an, dass die (Eigen-)Verantwortung der Mitarbeiter:innen zugenommen habe, nur jeder Fünfte hat auf diesem Feld einen Rückgang wahrgenommen. Fast sechs von zehn Befragten (59 Prozent) waren zudem der Meinung, dass in der Corona-Krise Entscheidungen schneller gefällt und umgesetzt wurden. Nur rund ein Viertel (27 Prozent) hat die Geschwindigkeit als langsamer wahrgenommen. „Eine erhöhte Anpassungsfähigkeit, mehr Eigenverantwortung und schnellere Entscheidungen sind eindeutige Merkmale selbstorganisierender Unternehmen“, sagt er Co-Autor der Studie, Patrick Merke von der frankfurter akademie für neue arbeitskultur und neue führung.
Diese Entwicklung ist dem Führungsexperten zufolge positiv zu bewerten. „Durch selbstorganisierte Strukturen und Teams wird die Arbeit in einem Krankenhaus interessanter und vor allem attraktiver“, so Merke weiter. Von einem Siegeszug der Agilität und Selbstorganisation in Krankenhäusern wollen die Autoren:innen der Umfrage (noch) nicht reden: „Dafür sind die Ergebnisse unserer Umfrage nicht eindeutig genug, denn wir haben auch Bereiche gefunden, die auf weniger Agilität und Selbstorganisation deuten“, erklärte Dr. Ruth Weber, Gesundheitswissenschaftlerin am Steinbeis-Transfer-Institut Marburg. Die Zeit der Corona-Pandemie war eine physisch und psychisch anstrengende Zeit – vor allem für Beschäftigte im Krankenhaussektor. Die Belastungen insbesondere des Pflegepersonals waren überdurchschnittlich hoch, wie zahlreiche Umfragen und Studien belegen. Doch getrieben von der Corona-Krise sind in vielen Häusern auch positive Entwicklungen zu beobachten, die langfristige Folgen haben könnten. So wurde Bürokratie abgebaut, wurden Prozesse flexibler gestaltet, die Kommunikation verbessert. Auch die gegenseitige Wertschätzung habe von den schwierigen Rahmenbedingungen eher profitiert, wie die Studie zeigt.
Die befragten Mitarbeiter:innen empfinden diesen Wandel als insgesamt positiv, wie die Zahlen der Befragung zeigen. So wurden Veränderungen zu mehr Agilität und Selbstorganisation eindeutig positiv empfunden, zum Beispiel in Sachen Entscheidungsgeschwindigkeit. Dort, wo die Entwicklung in die andere Richtung ging, bewerten die Beschäftigten das dagegen überwiegend negativ. „Das kann man so interpretieren, dass sich die Beschäftigten offensichtlich mehr Partizipation, schnellere Entscheidungen und mehr selbstbestimmtes Agieren im Sinne von weniger Hierarchieabhängigkeit wünschen“, sagt Merke.
Die Autor:innen sehen darin ein indirektes Signal an die Personal- und Organisationsentwicklung in Krankenhäusern. Doch die Umsetzung dieser Wünsche sollte nicht das zufällige Ergebnis einer Pandemie sein, sondern ein bewusstes Ziel aller Beteiligten im Krankenhaus. „Und dafür bedarf es zum einen die Bereitschaft auf allen Hierarchie-Ebenen und in allen Berufsgruppen. Zum anderen bedarf es einer systematischen Entwicklung der elementaren Kompetenzen sowohl auf Seiten der Führungskräfte als auch auf Seiten der Mitarbeiter:innen,“ so Marie-Luise Koch, Leiterin der Business Academy Marburg.
Die Befragung wurde vom 19. März 2020 bis 11. Mai 2020 durchgeführt. Teilgenommen haben 117 Personen, die nach ihren Wahrnehmungen auf die geänderte Arbeitssituation im Krankenhaus während des ersten Corona-Lockdowns befragt wurden. Die Datenerhebung erfolgte auf der Basis einer einmaligen Querschnittbefragung. Die Position/Berufsgruppe: Ärztliche Berufsgruppe 6 Prozent, Pflege 73 Prozent, Verwaltung 10 Prozent, Sonstiges 8 Prozent, Keine Angabe 2 Prozent.
Quelle: www.frankfurterakademie.de