
Vermeidung von Fehl- und Doppelverordnungen, Informationen zu korrekten Medikamentendosierungen und relevante Hinweise zu möglichen Wechselwirkungen – diese Informationen und Hinweise sollen Patientinnen und Patienten in Zukunft transparent und umfassend durch die deutschlandweite Einführung des elektronischen Medikationsplans (eMP) einsehen können.
Bereits seit dem Jahr 2016 haben Patientinnen und Patienten einen rechtlichen Anspruch auf die Erstellung eines schriftlichen Medikationsplans. Bei einer Einnahme von mindestens drei verschiedenen Medikamenten im Zeitraum von 28 Tagen, können Versicherte einen personalisierten Medikationsplan erhalten. Diese schriftliche Übersicht wird nun digitalisiert und ist als ein wesentlicher Bestandteil der im Januar 2021 eingeführten elektronischen Patientenakte (ePA) zu verstehen. Auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) der Versicherten wird der eMPin Zukunft gespeichert werden und ersetzt somit bereits vorhandene Versionen.
Die tatsächliche Umsetzung des eMedikationsplans soll wie folgt stattfinden: Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte, Apothekerinnen und Apotheker sowie Psychotherapeutinnen und -therapeuten können – sofern man einverstanden ist – individuelle Verordnungen in den digitalen Plan eintragen und stetig aktualisieren. Neben Patientendaten und Informationen zu Wirkstoffen sollen auch Angaben zur Medikation auf dem elektronischen Medikationsplan hinterlegt werden. Diese holistische Auflistung zielt vor allem darauf ab, Patientinnen und Patienten mit einem komplexen Krankheitsbild, schwangeren Frauen und Versicherten mit Allergien, einen transparenten und sicheren Überblick zu gewähren.
Sofern die Versicherten der Erstellung zustimmen, muss ein sechsstelliger Identifikationscode erstellt werden, der den Daten- und Patientenschutz bewahren soll. Um Zugriff auf die hinterlegten Daten des elektronischen Medikationsplans zu erhalten, muss der individuelle Sicherheitscode eingegeben werden. Diese Maßnahme bietet Schutz vor möglichen unzulässigen Zugriffen und stellt sicher, dass ausschließlich Personen mit einem Heilberufe-Ausweis Zugang erhalten.
Die entstehenden Vorteile und Erleichterungen des elektronischen Medikationsplans sind nicht nur für Patientinnen und Patienten bedeutend. Durch die Einführung können Apotheken zukünftig ihre Kundinnen und Kunden über Wechselwirkungen informieren und Alternativen aufzeigen. Zudem können Dosierungshinweise nicht nur wie bisher „mündlich“ mitgeteilt, sondern langfristig gespeichert werden. Diese Neuerungen können maßgeblich zur korrekten Einnahme von Medikamenten beitragen und somit die Genesung positiv beeinflussen. Neben Apotheken könnten auch Ärztinnen und Ärzte dem elektronischen Medikationsplan einige Vorteile abgewinnen. Bei Anamnesegesprächen mit Neupatientinnen und -patienten können sie durch die digitale Speicherung der patientenspezifischen Medikation sicherstellen, dass neue Therapien und Verordnungen konform mit bisherigen Therapien und Medikationen sind. In einigen europäischen Ländern, darunter Schweden, Belgien und Portugal, wird der eMP bereits aktiv genutzt. In Deutschland bedarf eine umfassende Etablierung jedoch einer weitreichenden Telematikinfrastruktur – sowohl im medizinischen Terrain als auch an der Schnittstelle zu den Versicherten selbst. Als mögliche Herausforderung ist hierbei die notwendige digitale Identifizierung zu nennen, die Versicherte für den Datenzugriff durchführen müssen. Eine weitere mögliche Barriere für die Nutzung wird mit Blick auf die demografische Gesellschaftsstruktur in Deutschland deutlich: Um die Funktionen in vollem Umfang zu verstehen und den Nutzen zu erkennen, bedarf es einem grundlegenden Verständnis von digitalen Prozessen und Abläufen.
Ob es in naher Zukunft gelingen wird, die Versicherten der verschiedenen Altersgruppen zu erreichen und von den Vorteilen zu überzeugen, bleibt daher abzuwarten. Es ist jedoch sichergestellt, dass die Einführung des elektronischen Medikationsplans in Verbindung mit dem elektronischen Rezept zum Abbau der Bürokratie und zur Stärkung der Patientenautonomie beitragen wird.
Autorin: Johanna Hilgen, Managerin & Prokuristin, Public Sector Consulting, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
erschienen in KU Gesundheitsmanagement 11/2021