Schöffski: „Unser Ziel ist eine Abstimmung mit Füßen.“
Nürnberg. Gemeinsam mit Prof. Dr. Martin Emmert von der Universität Bayreuth hat Prof. Dr. Oliver Schöffski vom Lehrstuhl für Gesundheitsmanagement des Fachbereichs Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg die Methodik des Klinikchecks entworfen und wertet mit seinem Team jährlich die Informationen von rund 50 Krankenhäusern in und um Nürnberg aus. Das sind Daten, die deutsche Krankenhäuser verpflichtend dokumentieren müssen und die vom Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) erhoben werden. Außerdem gehen anonyme AOKRoutine-Daten in die Bewertung mit ein sowie Fallzahlen und Patientenbewertungen der Weissen Liste.

Die Sprecherin des Klinikums, Franka Struve, sprach mit Prof. Dr. Oliver Schöffski:
Franka Struve: Nach welchen Kriterien werden die Leistungsbereiche oder die Indikationen ausgewählt?
Prof. Dr. Oliver Schöffski: Wir haben die Zielsetzung, Patienten in Kliniken zu steuern, in denen sie für ihre Indikation bestmöglich versorgt werden. Und deshalb ist ein wichtiges Auswahlkriterium, dass eine Maßnahme im Krankenhaus planbar sein muss. Es nützt nichts, wenn ich einen Notfall, wie z.B. einen Schlaganfall habe und es wichtig ist, dass ich schnell überhaupt eine Klinik erreiche und ich auch keinen Einfluss auf die Auswahl einer Klinik habe. Planbare Maßnahmen sind zum Beispiel eine Hüftendoprothese (künstliches Hüftgelenk), eine Geburt oder die Behandlung eines Mammakarzinoms (Brustkrebs). Hier hat der Patient mehrere Wochen, manchmal sogar Monate Zeit zu überlegen: Welches ist das Krankenhaus, in das ich gehen möchte? Das erste Auswahlkriterium ist also die Planbarkeit, das zweite Kriterium ist die Wählbarkeit. Wählbarkeit bedeutet, dass es in der Region eine Auswahl geben muss. Wenn eine Maßnahme oder eine bestimmte Operation nur in einer einzigen Klinik im Umkreis von 50 Kilometern durchgeführt werden, hat man keine Chance eine Auswahl zu treffen. Es muss eine Konkurrenz zwischen Krankenhäusern geben bezüglich der einzelnen Maßnahmen, die dort vorgenommen werden.
Hat sich die Auswahl der Indikationen im Lauf der Zeit geändert?
Es gibt einen leichten Wandel, der allerdings nicht so sehr von uns abhängt, sondern von den Vorgaben der gesetzlichen Qualitätssicherung von IQTIG – Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen. Das Institut fragt nicht in jedem Jahr die gleichen Indikationen ab und daran orientieren wir uns. Wo wir keine Daten vorliegen haben, können wir keine Auswertung vornehmen, nichtsdestotrotz gibt es ab und zu mal etwas Neues, wie das Hygienemanagement.
Welche Schlussfolgerungen kann der medizinische Laie ziehen, wenn dem Krankenhaus eine unauffällige Qualität und das Erreichen des Zielkorridors bescheinigt wird?
Die Krankenhäuser sind verpflichtet jährlich bestimmte Qualitätsinformationen an das IQTIG zu melden. Dort werden diese Informationen gesammelt, aggregiert und es wird ein Bereich festgelegt, in dem etwas unauffällig ist. Wenn bei einer bestimmten Operation es unauffällig ist, wenn zwischen 85 und 95 Prozent der Patienten keine Zweitoperation benötigen und das Krankenhaus hat Daten in diesem Bereich, dann ist es unauffällig. Wenn man allerdings plötzlich sieht, dass nur in 70 Prozent der Fälle eine weitere Operation nicht notwendig ist, dann ist man eben auffällig. Diese Auffälligkeit hat etwas mit nicht optimaler Qualität zu tun. Kurz gesagt: Je mehr und je häufiger bei den bestimmten Indikatoren ein Leistungserbringer unauffällig ist, desto besser.
Die Fallzahlen spielen auch eine Rolle für die Reihung innerhalb einer Gruppe. Das Klinikum Forchheim-Fränkische Schweiz kann in der Geburtshilfe nie auf Platz eins stehen, weil es zahlenmäßig auf 800 Geburten pro Jahr begrenzt ist. Hat sich im Laufe Ihrer Untersuchungen die Idee verstetigt, dass eine höhere Fallzahl mit einer besseren Qualität einhergeht?
Das Klinikum Forchheim kann mit einer geringeren Fallzahl nur dann nicht auf Platz eins stehen, wenn es Kliniken mit mehr Fällen gibt, die bezüglich der Indikatoren genauso gut abschneiden. Bezüglich der Fallzahlen zeigt ein Blick in die Literatur: Je häufiger eine Operation durchgeführt wird, desto höher ist die Qualität. Diese Aussage kann am oberen Ende irgendwann kippen, wenn ‚Fließbandmedizin‘ praktiziert wird, aber im Großen und Ganzen ist dieser Zusammenhang für die meisten Indikationen nachgewiesen. Übrigens ermutigen wir bei unseren Schlussfolgerungen nicht dazu, nur das Krankenhaus auf Platz eins aufzusuchen, sondern wir sagen, dass alle Krankenhäuser im grünen Bereich gleichwertig gut sind und eine Qualität quasi nachgewiesen haben. Rein kapazitätsmäßig wird es gar nicht funktionieren, dass in einem Haus sämtliche Geburten stattfinden. Von daher ist diese Anzahl der sogenannten Prozeduren, also die Anzahl der Geburten, bei uns kein erstrangiges Kriterium, sondern nur ein weiteres, um innerhalb der einzelnen (farblich gekennzeichneten) Gruppen zu differenzieren. Ob man im grünen Bereich an erster, zweiter oder dritter Stelle ist, das hängt von den Fallzahlen ab.
Aufgrund der Coronapandemie werden die Fallzahlen vermutlich einbrechen oder zurückgehen. Wie wirkt sich das auf die Bewertung aus?
Unsere Zahlen hinken immer eineinhalb bis zwei Jahre dem aktuellen Geschehen hinterher. Bereits die Kliniken liefern Vergangenheitsdaten. Ehe diese dann gesichtet werden und Rücksprache genommen wird, ehe die Daten bei uns landen und ausgewertet werden, vergehen in der Regel eineinhalb bis zwei Jahre. Wenn die Coronapandemie sich auf die Fallzahlen niederschlägt und diese zurückgehen, ist das für unser Ranking kein Problem, weil wir die Fallzahlen in ‚oberes Drittel‘, ‚mittleres Drittel‘ und ‚unteres Drittel‘ unterteilen. Wenn sich Corona bei allen Häusern gleichmäßig auswirkt, hätte man keine Unterschiede. Es kommt nur zu Verschiebungen, wenn die Maximalversorger vielleicht gar keine Hüftendoprothesen mehr machen, weil hier sämtliche Betten für Corona gebraucht werden, und das Klinikum Forchheim-Fränkische Schweiz hat keine oder wenig Corona-Patienten und führt nur noch Hüftendoprothesen-Operationen durch. Wie gesagt, die Fallzahlen sind nachrangig. Die wichtigsten Daten sind die Qualitätsindikatoren, die vom IQTIG ausgewertet werden.
Quelle: www.klinikum-forchheim.de