Compliance – quo vadis

Über den neuen Koalitionsvertrag wurde viel berichtet. Das Thema Compliance fand dabei wenig Erwähnung. Der folgende Beitrag zeigt auf, was sich die Ampel-Koalition hierzu ins Stammbuch geschrieben hat.
Die Ampel-Koalition steht, der Koalitionsvertrag ist unterzeichnet und die neue Regierung ist im Amt. Viel wurde über die Ziele der neuen Regierung berichtet. Um Compliance ging es dabei nicht. Und doch will die neue Regierung auch hier tätig werden. Unter der etwas unscheinbaren Überschrift „Unternehmensrecht“ werden gleich zwei Projekte aufgegriffen, die die letzte Koalition nicht mehr erledigen konnte: Das sogenannte Unternehmensstrafrecht soll ebenso kommen wie ein Gesetz zur Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie. Zu beiden Vorhaben liegen beschlussfertige Entwürfe in der Schublade des Bundesjustizministeriums. Wenn der politische Wille besteht, wird es schnell möglich sein, die Themen aufzugreifen und die für erforderlich gehaltenen Anpassungen vorzunehmen. Compliance wird daher weiter von hoher Relevanz für die Krankenhäuser sein.
Unternehmenssanktionen
Im Koalitionsvertrag heißt es, „die Vorschriften der Unternehmenssanktionen einschließlich der Sanktionshöhe“ werden überarbeitet, „um die Rechtssicherheit von Unternehmen im Hinblick auf Compliance-Pflichten zu verbessern“. Und der Rechtsrahmen für interne Ermittlungen soll präzisiert werden. Das sogenannte Unternehmensstrafrecht wird also kommen und Compliance-Pflichten werden erstmals Eingang in einen Gesetzestext finden. Möglicherweise wird das sogar noch deutlicher sein, als es der Entwurf der letzten Bundesregierung es schon vorsah (vgl. dazu Ettwig, KU Gesundheitsmanagement, 11/2019, S. 68).
Whistleblower
Dass die Umsetzung der EU Whistleblower-Richtlinie auch im Koalitionsvertrag steht, verwundert indes nicht: Der Gesetzgeber ist bereits im Verzug mit der Umsetzung der Richtlinie (vgl. Ettwig, KU Gesundheitsmanagement, 10/2021, S. 73). Über die EU-Richtlinie hinaus sollen dann auch Verstöße gegen nationale Vorschriften umfasst sein. Das heißt: Whistleblower werden einen weitgehenden Schutz für Meldungen aller Art erhalten.
Handlungsbedarf
Beide Themen verlangen den Unternehmen einiges ab. Bei der Whistleblower-Richtlinie sind diejenigen Krankenhäuser sogar schon im Verzug, die kein Hinweisgeber-System etabliert haben. Die Richtlinie gilt nämlich bereits seit dem 17.12.2021. Es ist also höchste Zeit, endlich ein Hinweisgeber-System zu etablieren, das auch anonyme Meldungen ermöglichen muss. Das kann nach Anschaffung entsprechender Software mit eigenen Mitarbeitenden betrieben werden. Verschiedene Anbieter bieten teils umfangreiche Systeme.
Wer es unkompliziert und mitbestimmungsfrei möchte, kann das Thema auf einen Dienstleister auslagern (z.B. Tsambikakis Hinweisgeber-System). Die Vorbereitung auf die Unternehmenssanktionen wird wesentlich umfangreicher sein. Wer sich künftig nicht zusätzlich zur bisherigen Strafverfolgung auch noch Unternehmenssanktionen aussetzen will, sollte bald beginnen. Ziel muss die Etablierung eines funktionierenden Compliance-Management-Systems sein. Der effektivste Schutz gegen Unternehmenssanktionen ist, dass das Compliance-Management Verstöße von vornherein verhindert. Sollte es gleichwohl zu Verstößen kommen, wird von entscheidender Bedeutung sein, dass dies trotz implementierter Compliance-Maßnahmen geschehen ist.
Denn das Vorhandensein von eines Compliance-Management-Systems wird dann dazu führen, dass es zu geringeren Sanktionen kommt als ohne ein solches System. Nach meiner Erfahrung braucht es ein bis zwei Jahre, bis alle entscheidenden Prozesse im Krankenhaus bewertet, Regelungen neu gefasst, Prozesse neu aufgestellt und ein Compliance Officer gefunden und eingearbeitet sind. Einige der erforderlichen Maßnahmen sind zusätzlich mitbestimmungspflichtig. Das erfordert zunächst erhebliche Ressourcen des Krankenhauses (eigene und zumeist externe Unterstützung). Wegen des Umfangs und mit Blick auf die Mitbestimmung erscheint es lohnend, alsbald anzufangen.
Autor: Volker Ettwig, Rechtsanwalt, Certified Compliance Expert, Tsambikakis & Partner Rechtsanwälte mbB
erschienen in KU Gesundheitsmanagement 1/2022