
Das „Healing Architecture“-Konzept stellt einen innovativen architektonischen Ansatz dar, welcher im Hinblick auf die Umsetzung des Grundgedankens „Wohlfühlfaktor“ qualitative und wirtschaftliche Anreize setzen kann und den Krankenhausaufenthalt auf unterschiedlichen Ebenen positiv beeinflusst.
Im Gesundheitssektor gibt es einen ständigen Wandel, sei es aufgrund der Digitalisierung, des steigenden Wettbewerbes oder der Art der medizinischen Leistungserbringung. Im Hinblick auf die Leistungserbringung gewinnt neben der Behandlungsqualität zunehmend die Patientenzufriedenheit an Relevanz, da die Patientinnen und Patienten während ihres Krankenhausaufenthaltes weniger den Behandlungserfolg, sondern meist eher die „Hotelleistungen“ bewerten können. Hierbei spielen viele Einflussfaktoren eine Rolle, beispielsweise die Mitarbeiterfreundlichkeit, die Verpflegung, die Wartezeiten oder aber der allgemeine „Wohlfühlfaktor“ innerhalb der Gesundheitseinrichtung.
Der Gedanke des „Wohlfühlfaktor“ wird im „Healing Architecture“-Konzept aufgegriffen. Es befasst sich mit der Architektur und Konzeptionierung von Gesundheitseinrichtungen sowie deren Einfluss auf das körperliche und seelische Wohlbefinden der Patientinnen und Patienten, Angehörigen sowie Mitarbeitenden. Die Behandlungserfolge der Patientinnen und Patienten sowie die Arbeitsatmosphäre der Mitarbeitenden werden durch die gemeinsame Konzeptionierung des Leistungsangebotes, der architektonischen Maßnahmen sowie Inneneinrichtungen verbessert, wodurch auch die Qualität des Krankenhauses gesteigert wird.
„Healing Architecture“ spricht hierbei die verschiedenen Sinne des Menschen an – Helligkeit, Gerüche, Töne, Luftqualität aber auch Naturbezug in den Materialien. Insbesondere die Ausstattung der Zimmer von der Beschaffenheit der Böden bis hin zur Aussicht spielt dabei eine zentrale Rolle. Auch die Wegführung durch ein abgestimmtes architektonisches Layout ist ein weiteres Beispiel für den positiven Einfluss auf die Stressreduktion bei Patientinnen und Patienten sowie Mitarbeitenden.
In Deutschland hat das Konzept von „Healing Architecture“ noch einen Pilotcharakter, während es in den skandinavischen Ländern, der USA sowie in Asien in den Gesundheitseinrichtungen bereits etablierter ist. Dort werden Krankenhäuser von Beginn an auf Basis dieses Konzeptes geplant. In Deutschland findet das Konzept langsam Betrachtung: Im Jahr 2013 eröffnete die Charité eine Intensiveinheit aufbauend auf dem Grundgedanken der „Healing Architecture“. In der Waldklinik Eisenberg in Thüringen wurde ein Neubau nach diesem Prinzip gebaut.
Die Umsetzung des „Healing Architecture“-Konzeptes stellt allerdings auch wirtschaftliche Herausforderungen im Hinblick auf die Gebäudesanierung oder Errichtung eines Neubaus dar. Der Grundgedanke des „Wohlfühlfaktors“ wird finanziell bisher nicht in den bestehenden Finanzierungsstrukturen wie dem DRG-System berücksichtigt. Bei einer frühzeitigen Einbindung des Konzeptes bei der Planung fallen die Kosten im Vergleich zu den bisherigen Baukonzepten jedoch unwesentlich höher aus.
Die Etablierung des „Healing Architecture“-Konzeptes stellt somit eine mittel- und langfristige, strategische Management-Entscheidung dar, da das Konzept auf verschiedene Dimensionen Einfluss hat. Die Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten sowie eine genesungsfördernde Umgebung können zum einen die Behandlungsqualität steigern. Zum anderen kann eine arbeitsfördernde Atmosphäre die Mitarbeiterbindung (Employer Branding) verbessern und das Image der Gesundheitseinrichtung im Rahmen der Akquise von Personal nachhaltig stärken.
Autor: Peter Maximilian Conrad, Senior Manager Healthcare, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
erschienen in KU Gesundheitsmanagement 2/2022