Der Mehrwert von Compliance
Die Notwendigkeit von Compliance ist inzwischen weithin anerkannt. Der Gesetzgeber will Compliance im künftigen Unternehmensstrafrecht zu mehr Prominenz verhelfen. Strafrechtliche Risiken und wirtschaftliche Schäden werden vermieden. Und doch empfinden viele Compliance als eine lästige Pflicht. Der Beitrag beleuchtet, inwieweit Compliance einen Mehrwert hat, der (vielleicht) zu gering geschätzt wird.
Der frühere regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, konstatierte im Jahr 2003, Berlin sei „arm, aber sexy“. Außer, dass er auf die finanzielle Lage von Berlin hinwies, machte er zugleich deutlich, dass Berlin nicht allein daran gemessen werden sollte, sondern dass es aus seiner Sicht noch andere Aspekte gab, die man nicht übersehen durfte. Compliance wirkt auf den ersten Blick eher lästig als sexy. Compliance hat – da sind sich die meisten Entscheidungsträger inzwischen einig – ihre Berechtigung. Sie dient der Haftungsvermeidung oder wenigstens Haftungsreduzierung. Sie verringert wirtschaftliche Schäden und dient dem Erhalt guter Reputation. Aber Compliance kostet auch Geld, Compliance macht Arbeit, Compliance kann betriebliche Abläufe erschweren und vor allem ist Compliance eine Daueraufgabe. Unterm Strich bleibt Compliance zunächst eine sinnvolle, lästige Pflicht.
Mehrwert
Doch ist die Frage durchaus berechtigt, ob Compliance nicht noch mehr ist. Und vielleicht wird dieses Mehr nur nicht genug betont, so dass es bisweilen ein Schattendasein führt. Für manche Unternehmen ist Compliance inzwischen zu einem Werbefaktor geworden. Man zeigt die eigene Integrität gerne auch nach außen und hofft, damit attraktiver zu sein als Wettbewerber. Deshalb betreiben diese Unternehmen aktive Compliance-Kommunikation. Ein Compliance-Siegel kann ähnlich einem Öko-Siegel auf Produkten im Supermarkt oder einem Hinweis auf fairen Umgang mit Bauern in entlegenen Anbaugebieten ein Unternehmen attraktiver machen. Das gilt auch für Krankenhäuser.
Motivation
Längst werben Krankenhäuser gerne mit Zertifizierungen im Qualitätsmanagement, mit einem hohen Datenschutzstandard oder damit, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. Der Verweis auf die eigene Integrität ist aber gleichermaßen geeignet, einen positiven Eindruck zu hinterlassen. Woman gerne arbeitet, da ist man auch motiviert. Krankenhäuser haben nun einmal nicht – wie z.B. manche Autobauer oder Handyhersteller – ein Produkt, das alle gerne haben wollen. Und wenn es ein solches Produkt nicht geben kann, dann sollte versucht werden, auf andere Art und Weise einen positiven Eindruck zu erzeugen.
Öffentlichkeitsarbeit
Daher ist es durchaus erwägenswert, wenn Krankenhäuser in ihrer Öffentlichkeitsarbeit bewusst auch Compliance-Maßnahmen aufgreifen. Und das muss nicht immer gleich eine Zertifizierung sein. Der Hinweis auf ein neu eingerichtetes Compliance-Office oder auf ein Whistleblower-System erzeugen einen positiven Eindruck. Auch der Hinweis, dass Compliance ein wichtiger Baustein bei der Einarbeitung neuer Mitarbeitender ist, wird seinen Effekt nicht verfehlen. Compliance ist gut geeignet, um das Image der Krankenhäuser zu befördern.
Arbeitgeberattraktivität
Das Herausstellen der eigenen Integrität hat auch positive Auswirkungen bei der Personalrekrutierung. Man arbeitet lieber in einem Krankenhaus, das positiv wahrgenommen wird. In Zeiten zunehmender Personalknappheit kann Compliance ein wichtiger Pluspunktwerden. Compliance kann ein Merkmal sein, dass die Verbundenheit zum eigenen Arbeitgeber stärkt.
Positiver Gesamteindruck
Wenn es dem Krankenhaus gelingt, einen positiven Gesamteindruck unter Einbeziehung der Compliance zu erzeugen, macht dies im Zweifel selbst vor Ermittlungsbehörden nicht halt. Auch Ermittler werden sich eines positiven Gesamteindrucks nicht ganz entziehen können. Kommt es trotzdem zu Verstößen, erscheinen sie zumindest verzeihlicher. Damit ist Compliance noch immer nicht sexy, aber doch positiv, freundlich und wertvoll.
Autor: Volker Ettwig, Rechtsanwalt, Certified Compliance Expert, Tsambikakis & Partner Rechtsanwälte mbB
erschienen in KU Gesundheitsmanagement 2/2022