Medizinische Dokumentation ist häufig unstrukturiert und komplex. Um die Komplexität zu reduzieren, standardisieren Patientenklassifikationssysteme, wie die ICD, die enthaltenen Informationen. Die Abkürzung ICD steht für „International Statistical Classification of Disease and Related Health Problems“ bzw. vereinfacht in Deutsch „Internationale Klassifikation der Krankheiten“.
Der ICD-Schlüssel ist ein umfassendes medizinisches Klassifizierungs- und Dokumentationssystem von Diagnosen. Er gilt heute als internationaler Standard zur einheitlichen Benennung, Erfassung, Berichterstattung und Gruppierung von Zuständen und Faktoren, die Einfluss auf die Gesundheit haben. Die erste Version umfasste ausschließlich Krankheiten, die als Todesursache eine entscheidende Rolle spielten. Ab der sechsten Version von 1948 wurde die Klassifizierung auch auf Krankheiten ausgeweitet, die nicht zwangsläufig zum Tode führen. Ab diesem Zeitpunkt übernahm die WHO die Aktualisierung und Verantwortung des sogenannten ICD-Klassifizierungssystems. In Deutschland wurde die Verwendung der ICD-Verschlüsselung erstmals 1986 in Krankenhäusern verpflichtend eingeführt.
Neben der internationalen Version der WHO gibt es auch eine deutsche Version: ICD-10-GM (German Modification). Diese wird jährlich vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) überarbeitet und aktualisiert. Obwohl das Ziel der Kodierung eine weltweite Vereinheitlichung der Bezeichnung ist, erstellen einzelne Länder eigene Anpassungen wie bspw. das Hinzufügen eigener Verfahrenscodes oder Abweichungen im Detaillierungsgrad. Das Grundgerüst bleibt jedoch unverändert.
Verwendungszweck
In Deutschland nimmt die Klassifikation eine zentrale Rolle ein und ist insbesondere für die Dokumentation und Kommunikation medizinischer Inhalte unverzichtbar. Die modifizierte ICD-10-GMwird in vielfältigen Prozessen genutzt. Man findet die Codes bspw. in der Leistungsabrechnung und dem morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich. Zudem wird diese Art der Kodierung auch für Zwecke des pauschalisierten Entgeltsystems G-DRG (German Diagnosis Related Groups) verwendet. Auch in den Bereichen Qualitätssicherung, Epidemiologie und Statistik wird die Klassifikation eingesetzt.
Einführung der ICD-11
Zum 1. Januar 2022 ist die neue Version ICD-11 seitens der WHO in Kraft getreten. Aufgrund langjähriger und praxisnaher Erfahrungen mit der ICD-10 haben v.a. Australien und Deutschland aktiv an der Weiterentwicklung mitgewirkt. Das BfArM hat als WHO-Kooperationszentrum intensive Beratungsaufgaben und Vorbereitungen zur Umsetzung und Implementierung übernommen. In der elften Version wurde eine Reihe von verschiedenen Entwicklungen integriert – so wurde bspw. der medizinische Fortschritt eingearbeitet. Dementsprechend wurde der Katalog erweitert und um zusätzliche Klassifikationen ergänzt. Insbesondere der Aspekt der Digitalisierung hat Einzug genommen.
Die Implementation der neuen Version ist vor allem für die Länder eine enorme Herausforderung, welche die ICD-10 in ihren Gesundheitssystemen fest etabliert haben. Die Umstellung in Deutschland tangiert fast jeden Akteur im deutschen Gesundheitswesen. So wird unter anderem durch den Anpassungsprozess hierzulande eine weitreichende Umarbeitung der Krankenhaus-Fallpauschalen notwendig, welche wiederum Auswirkungen auf andere Institutionen wie Krankenkassen hat.
Der Zeitpunkt der Umsetzung auf nationaler Ebene ist bislang unklar. Bis zu einer obligatorischen Einführung kommt die bisherige Version ICD-10-GM weiter zur Anwendung. Generell soll laut WHO nach einer flexiblen Übergangszeit von fünf Jahren international einheitlich mittels ICD-11 kodiert werden. Es bleibt zu hoffen, dass die Einführung der elften Version für alle internationalen Gesundheitsbereiche reibungslos verläuft und entsprechend der Implementierungsstrategien umgesetzt werden kann. Denn schlussendlich soll die stetige Weiterentwicklung den Fortschritt und die Zielerreichung der Gesundheitsversorgung intensivieren.
Autor: Julia Kaub, Partnerin Healthcare, KPMG AGWirtschaftsprüfungsgesellschaft
erschienen in KU Gesundheitsmanagement 3/2022