Aktuelle Ermittlungsverfahren geben Anlass, selbstkritisch zu prüfen

Medienwirksame Ermittlungsmaßnahmen über zu Unrecht erhaltene Freihaltepauschalen und Fördergelder bieten Anlass, selbstkritisch zu schauen, ob im eigenen Krankenhaus Korrekturen vorzunehmen sind. Denn die häufig geänderten und eilig gemachten Regelungen waren nicht leicht fehlerfrei umzusetzen. Doch zur Klärung strafrechtlicher Risiken und zur Milderung von Reputationsschäden und wirtschaftlichen Nachteilen, bieten diese Ermittlungsmaßnahmen hinreichend Anlass, interne Compliance-Untersuchungen durchzuführen.
Ein wesentlicher Aspekt von Compliance ist es, Verdachtsmomenten nachzugehen, um gegebenenfalls die erforderlichen Konsequenzen daraus zu ziehen. Die Erforderlichkeit einer Prüfung muss sich dabei nicht aus Umständen ergeben, die im eigenen Krankenhaus zu suchen sind. Auch äußere Umstände können einen Anlass bieten, im eigenen Verantwortungsbereich zu prüfen, ob alle Abläufe regelkonform sind.
Unlängst wurde in der Presse berichtet, dass im Saarland Ermittlungen aufgenommen wurden, weil zwei Krankenhäuser im Verdacht stehen, zu Unrecht Corona-Freihaltepauschalen bzw. Förderungen für die Schaffung von Intensivkapazitäten erhalten haben. Konkret sollen die beiden Kliniken rund 18 Mio. Euro unrechtmäßig erhalten haben. Der Vorwurf wiegt also schwer. Der Bundesrechnungshof hatte bereits im Frühsommer 2021 darauf aufmerksam gemacht, dass es zu Unregelmäßigkeiten kommt. Rechtsgrundlage für die finanzielle Förderung ist § 21 KHG, der seit seinem Inkrafttreten bereits fünfmal geändert wurde. Und dabei ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber – unter dem existierenden Zeitdruck nachvollziehbar – seine Aufgaben mehr schlecht als recht erledigt hat. Sowohl Gesetzestext als auch die jeweilige Gesetzesbegründung sind nicht selbsterklärend.
Die Regelungen sind fehlerträchtig, bieten aber auch Möglichkeiten, sich unrechtmäßig Fördergelder zu ergaunern. Die Angaben zu den jeweiligen Kapazitäten kamen nicht in allen Häusern von den Klinikärzten. Zum Teil war es auch das (Medizin-)Controlling, das die erforderlichen Angaben machte und Anträge stellte. Überlastungsstress, sich permanent ändernde Regelungen usw. leisten dabei ihren Beitrag zum Entstehen von Fehlern. Und schwarze Schafe gab es hier und da natürlich auch.
Die anlaufenden Ermittlungen sind für alle Krankenhäuser Anlass genug, noch einmal selbstkritisch zu schauen, ob alle Fördergelder auch zu Recht erhalten wurden. Sollte es zu Fehlern gekommen sein, müssen diese proaktiv behoben werden. Ziel von Compliance ist auch, gegebenenfalls erst nachträglich einen rechtmäßigen Zustand herzustellen, um weitergehende Schäden zu vermeiden. Und diese können auf verschiedenen Ebenen auftreten. Diese Ermittlungen zeigen das strafrechtliche Risiko auf. Wer sein eigenes Risiko reduzieren will, der prüft sich nun. Denn ein fehlerhafter Ist-Zustand sollte beseitigt sein, bevor es überhaupt zu Ermittlungen kommt. Eng verbunden mit dem strafrechtlichen Risiko ist ein möglicher Reputationsverlust. Auch der lässt sich begrenzen, wenn mögliche Fehler früh und aus eigener Motivation korrigiert werden. Ein Beisteuern nachdem Ermittlungen angelaufen sind, hilft nicht mehr. Es geht darum, durch gezielte Compliance-Prüfungen festzustellen, ob bzw. wo Korrekturbedarf besteht. Da man nicht davon ausgehen kann, dass diejenigen im Krankenhaus, denen Fehler zuzuschreiben sind, sich als erste selbst korrigieren, sollten die entsprechenden Prüfungen ausgelagert werden. Das kann am besten durch spezialisierte Medizinstrafrechtler erfolgen.
Unrechtmäßig erhaltene Förderungen werden zurückgefordert werden. Das kann hohe wirtschaftliche Schäden nach sich ziehen. Zumindest fahrlässige Pflichtverletzungen werden regelmäßig von Vermögensschadenhaftpflichtversicherungen gedeckt sein. Auch wissentliche Pflichtverletzung und sogar Vorsatz können unter bestimmten Voraussetzungen versichert sein. Um existenzielle Bedrohungen zu verhindern, müssen jetzt die erforderlichen Vorarbeiten geleistet werden, um soweit erforderlich zeitnah Schadenzahlungen der Versicherer zu erlangen. Im Idealfall bringen medizinstrafrechtliche Beratende diese Kompetenz gleich mit, damit alles aus einer Hand erfolgen kann. Nach meiner Erfahrung ist die Zahl der Anbieter, die Lösungen aus einer Hand leisten können, nicht allzu groß. Wer darauf zurückgreifen will, der sollte sich bald kümmern. Allgemein gilt mit Blick auf mögliche Ermittlungsmaßnahmen im eigenen Unternehmen: Wer bereits ohne Not begonnen hat „aufzuräumen“, der wird im Falle von Ermittlungsmaßnahmen dafür auch belohnt werden.
Autor: Volker Ettwig, Rechtsanwalt, Certified Compliance Expert, Tsambikakis & Partner Rechtsanwälte mbB
erschienen in KU Gesundheitsmanagement 4/2022