Stabilisierungsmaßnahmen sind nach dem vierten Abschnitt des StaRUG möglich
Zum 1.1.2021 ist das Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG, BGBl 2020 I S. 3256) in Kraft getreten. Ein zentraler Aspekt ist das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG), welches ein neues Verfahren für die Sanierung eines Unternehmens ohne Insolvenzverfahren schafft.
Darüber hinaus werden in diesem Gesetz aber auch Pflichten für Personen, die bei der Erstellung des Jahresabschlusses helfen normiert (vgl. § 102 StaRUG) sowie ebenfalls für Geschäftsleiter (§ 1 StaRUG). Diese sind nach § 1 Abs, 1 Satz 1 StaRUG verpflichtet, fortlaufend Entwicklungen zur überwachen, die den Fortbestand der juristischen Person (GmbH, AG…) gefährden können. Erkennen sie solche Risiken, sind sie verpflichtet, die Überwachungsorgane unverzüglich zu informieren (§ 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 StaRUG). Bei Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit im Sinne von § 15a Abs. 1 Satz 2 InsO trifft diese Pflicht die geschäftsführenden Gesellschafter. Dies gilt im Wesentlichen für Personengesellschaften.
Risikofrüherkennung
In der Praxis bedeutet dies, dass diejenigen, die die Geschäfte einer Gesellschaft führen, nach § 1 StaRUG verpflichtet sind, ein System einzurichten, welches es ihnen ermöglicht, Risiken für das Unternehmen rechtzeitig zu erkennen, damit entsprechend reagiert werden kann. Sie sind also verpflichtet, ein Risikofrüherkennungssystem (IKS – Internes Kontrollsystem) zu schaffen.
Teil I: StaRUG: Die Stabilisierung
Bei den Stabilisierungsmaßnahmen, die nach dem vierten Abschnitt des StaRUG möglich sind, lassen sich im Wesentlichen drei Varianten unterscheiden. Zunächst sieht § 49 I Nr. 1 StaRUG vor, dass auf Antrag des Schuldners Maßnahmen der Zwangsvollstreckung untersagt oder einstweilen eingestellt werden können. Zuständig ist hierfür das Restrukturierungsgericht. Insbesondere Kreditinstitute und Lieferanten können dagegen Adressaten von Eingriffen in Verwertungsrechte sein. Betroffen sind hier insbesondere Sicherheiten, die in einem späteren Insolvenzverfahren als Aus- oder Absonderungsrechte zu qualifizieren wären. Auch der einfache Eigentumsvorbehalt von Lieferanten ist hierdurch gefährdet. Schließlich erschwert § 55 StaRUG Zurückbehaltungs- und Vertragsabänderungsrechte.
In der bisher überschaubaren Praxis wurden vom Schuldner Stabilisierungs-maßnahmen nur gegen einzelne Gläubiger eingesetzt. Dies ist auf den ersten Blick insoweit überraschend, als § 49 Absatz 2 Satz 2 StaRUG die Möglichkeit vorsieht, die Stabilisierung gegen alle Gläubiger zu richten. Es muss sich dabei nicht einmal um solche Gläubiger handeln, welche von einem Restrukturierungsplan betroffen werden sollen. Eine solche Stabilisierung hätte jedoch Nachteile: Zunächst ist fraglich, wie der Schuldner die Erforderlichkeit der Anordnung darlegen könnte. Nach § 51 Abs. 1 Ziff. 4 StaRUG muss die beantragte Anordnung erforderlich sein. Diese ist in Bezug auf jeden Gläubiger darzulegen. Insbesondere bei Kleingläubigern ist eine solche Erforderlichkeit für das Restrukturierungsziel kaum zu begründen, da finanzwirtschaftlich nur eine geringfügige Relevanz bestehen würde. Darüber hinaus wird der Schuldner ein Interesse daran haben, das Restrukturierungsvorhaben nicht öffentlich zu betreiben. Versucht er, die Restrukturierung gegenüber den finanzierenden Kreditinstituten durchzusetzen, wird das Verfahren in der Regel von weiteren Geschäftspartnern, Presse und Öffentlichkeit unbemerkt bleiben. Anders wäre dies, wenn Maßnahmen gegen eine so große Gläubigergruppe wie die Lieferanten gerichtet wurde und damit das Verfahren einer Vielzahl von Gläubigern bekannt wird.
Hauptanwendungsfall der Stabilisierung dürfte somit der Vollstreckungsschutz in konkreten Einzelfällen und eine Verwertungssperre gegen Kreditinstitute sein. Restrukturierungsvorhaben ganz ohne Stabilisierungsmaßnahmen durchzuführen ist jedoch riskant: Nur Stabilisierungsmaßnahmen schützen gegen Drittanträge von Gläubigern, die auf die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gerichtet sind (§ 58 StaRUG).
Ordnet das Restrukturierungsgericht Stabilisierungsmaßnahmen an, so stellt sich aus Sicht des Gläubigers die Frage, wie diese beendet und Eingriffe in die eigene Rechtsstellung abgewehrt werden können. Ein Rechtsmittel im engeren Sinne hat der Gläubiger nicht. Allerdings kann er einen Antrag nach § 59 Abs. 2 StaRUG stellen, die Stabilisierungsanordnung aufzuheben. Erforderlich ist hierfür eine Glaubhaftmachung, dass der Schuldner nicht bereit und in der Lage ist, seine Geschäftsführung an den Interessen der Gläubigergesamtheit auszurichten, insbesondere weil der Restrukturierungsplan im Wesentlichen auf unzutreffenden Tatsachen beruht und die Rechnungslegung und Buchführung des Schuldners in der in § 59 Abs. 1 Nr. 4b StaRUG näher bestimmten Weise unvollständig und mangelhaft ist.
Gelingt es dem Gläubiger nicht, die Stabilisierungsmaßnahmen abzuwehren, so wird er bei einer Verwertungssperre durch § 54 StaRUG geschützt. Diese Vorschrift sieht eine Ausgleichspflicht vor. So sind dem Gläubiger die geschuldeten Zinsen zu zahlen und der durch Nutzung eingetretene Wertverlust auszugleichen. Diese Regelung kann jedoch leerlaufen, wenn dem Schuldner die Restrukturierung nicht gelingt und dieser Insolvenzantrag stellen muss. In diesem Fall würde der Gläubiger mit seinen Ansprüchen auf eine Quote am Ende des Insolvenzverfahrens verwiesen werden (als nicht nachrangiger Gläubiger). Im Interesse des Gläubigers ist es deshalb, dass der Schuldner seine Ausgleichspflichten möglichst zeitnah erfüllt, damit das Risiko von Ausfällen für den Gläubiger geringer wird.
In zeitlicher Hinsicht ist damit zu rechnen, dass die Stabilisierungsmaßnahmen nach § 53 Abs. 1 StaRUG bis zu drei Monate dauern können, abhängig von der Geschwindigkeit der Umsetzung des Restrukturierungsvorhabens. Geht der Schuldner bereits mit einem fertig erstellten Restrukturierungsplan in das Verfahren, so wird auch die Stabilisierung zeitlich begrenzt sein und Gläubigerrechte geringer beeinträchtigen.
Eine Stabilisierung darf nur solange angeordnet bleiben, wie die Restrukturierungssache noch erfolgversprechend ist. Daran fehlt es etwa, wenn die Voraussetzungen einer Aufhebung der Restrukturierungssache nach § 33 StaRUG vorliegen, etwa der Schuldner in schwerwiegender Weise gegen seine Pflichten zur Mitwirkung und Auskunftserteilung gegenüber dem Gericht oder einem Restrukturierungsbeauftragten verstoßen hat. § 59 Abs. 1 Nr. 4 StaRUG nennt als weiteren Aufhebungsgrund Umstände, aus denen sich ergibt, dass der Schuldner nicht bereit oder in der Lage ist, seine Geschäftsführung an den Interessen der Gläubigergesamtheit auszurichten. Gelingt dagegen die Sanierung und wird der Restrukturierungsplan bestätigt, so bedarf es ebenfalls keiner Stabilisierungsanordnung mehr (§ 59 Abs. 4 StaRUG).
Autor: Enrico-Karl Heim
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