Klinikum Darmstadt wirbt für Informationen und Fakten rund um Qualität in der Geburtsmedizin
Darmstadt. „Wir müssen werdende Mütter mit Fakten informieren und dürfen ihnen nichts vorgaukeln“, dafür wirbt die Leiterin der Geburtshilfe am Klinikum Darmstadt, Dr. Maike Manz. Sie ist außerdem Mitglied geburtshilflicher Expertengremien des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) und Mitglied in der Fachkommission Perinatalmedizin der Landesarbeitsgemeinschaft Qualitätssicherung Hessen (LAGQH). Sie weiß: „Über 11 Prozent aller Kinder werden derzeit in Hessen aber auch bundesweit nicht in der jeweils adäquaten Versorgungsstufe geboren – mit allen Risiken, die sich hieraus für diese Kinder und Familien ergeben.“
Alle Geburtskliniken sind in vier Stufen eingeteilt – vom Level-4-Haus (also einer „Geburtsklinik“ ohne jegliche kinderärztliche Versorgung vor Ort und einer frauenärztlichen Besetzung, die außerhalb der regulären Arbeitszeiten nur mit einer Assistenzärzin oder einem Assistenzarzt besetzt ist), bis zum Level-1-Haus, einem „Perinatalzentrum“, in dem Geburtsklinik und Neonatologie – d.h. eine Früh- und Neugeborenen-Intensiv- und Überwachungsstation – 24/7 vorhanden sind.
Minuten entscheiden über das Schicksal
Oft fehle es in geburtshilflichen Einrichtungen mit einer sehr geringen Geburtenzahl (etwa weniger als 500 Geburten pro Jahr) an sonstiger Infrastruktur. „Wenn diese Kliniken z.B. nur wenige Blutkonserven bevorraten, kann das im Notfall viel zu wenig sein“ sagt Dr. Manz. „Dabei ist die nachgeburtliche Blutung eine der häufigsten Todesarten im Zusammenhang mit der Geburt weltweit.“
Schwierig für die werdenden Eltern sei es, dass die fehlende personelle und/oder strukturelle Infrastruktur in den Informationsmaterialien der Kliniken oft verschleiert würden. „Da stehen dann wohlklingende Sätze wie „Wir kooperieren mit der Kinderklinik in XXX“. Dass dies aber bedeutet, dass im Fall eines Notfalls die Geburtsklinik erst einen Notruf an die kooperierende Kinderklinik absetzt, diese Notfall-Personal zu Verfügung stellen, den Baby-Notarztwagen starten und möglicherweise aus der Nachbarstadt anreisen muss, schlimmstenfalls sogar bei widrigen Wetterbedingungen oder im Verkehrschaos, das steht da nirgendwo“, sagt Dr. Manz.
Zentralisierung senkt Todesrate – Beispiel Portugal
Portugal habe die höchste Totgeburtenrate in Europa gehabt, erläutert Pecks in dem Interview. Das System dort sei dann umgestellt worden, die kleinen Häuser wurden dicht gemacht, die Versorgung wurde zentralisiert. Und plötzlich habe Portugal eine niedrigere Totgeburtenrate als Deutschland. „Der Effekt ist also nicht zu unterschätzen. Bei der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin sprechen wir uns schon lange dafür aus, dass es in Deutschland kein Geburtszentrum ohne Neonatologie mehr geben sollte“, so Pecks im SPIEGEL.
„Geburten in Level-1-Häusern haftet das Image an, nicht gut genug auf die Bedürfnisse von Müttern und werdenden Eltern eingehen zu können“ sagt auch der Direktor der Frauenklinik, PD Dr. Sven Ackermann. „Auch das ist aber nicht richtig. Konzentration geht nicht zulasten individueller Betreuung und Geborgenheit – im Gegenteil, die Personalausstattung ist an größeren Zentren immer besser. Um alle Geburten unter einem Dach anbieten zu können, braucht es die Rund- um-die-Uhr-Verfügbarkeit aller Professionen. Nur so sind die Qualitätsanforderungen zu gewährleisten und das Team kann interprofessionell Mütter so begleiten, wie es die Lage erfordert. Werdende Mütter, bei denen keine Komplikationen für Mutter und / oder Kind absehbar sind, können z.B. nur von einer Hebamme betreut im sog. Hebammengeleiteten Kreißsaal entbinden. Das gelingt in vielen Fällen. Aber wenn sich Komplikationen entwickeln, oder die Gebärende ein Schmerzmittel wünscht, ist es wichtig, dass der Geburtsprozess möglichst wenig gestört wird. Im Idealfall verbleibt die Frau im selben Gebärzimmer und wird von derselben Hebamme weiterbetreut – und wir Ärzt*innen kommen einfach mit dazu.“
Auch das Fazit von Dr. Maike Manz ist ganz klar: „Ich wünsche mir Hebammengeleitete Geburten an allen Perinatalzentren, weil das für die Frauen und werdenden Familien bedeutet: Gebären in Hausgeburtsatmosphäre – und trotzdem alle Airbags eines Perinatalzentrums Level-1 im Hintergrund zu haben. So sollte moderne Geburtshilfe aussehen. Das sind die Modelle der Zukunft!“
Quelle: www.klinikum-darmstadt.de