In dieser Kolumne habe ich in der Vergangenheit sehr viel über rechtliche und organisatorische Anforderungen geschrieben, die von Krankenhäusern umzusetzen sind, damit Compliance-Verstöße möglichst vermieden werden. Sollte es doch einmal zu einem Verstoß kommen, dann soll dieser zumindest früh entdeckt und professionell gehandhabt werden. Diese Beiträge waren m.E. unverzichtbar, um Anforderungen, Risiken und Lösungen aufzuzeigen.
Die rechtlichen und organisatorischen Anforderungen sind aber nur ein Teil dessen, was Compliance ausmacht. In der Vergangenheit hieß es nur allzu oft „Dann machen wir halt mal eine Richtlinie…“, doch oft wurde dann aus der Umsetzung nichts. Viele Richtlinien verschwanden in Schubladen oder (elektronischen) Aktenordnern und niemand kümmerte sich darum. Daher ist ein weiterer entscheidender Faktor, die Kommunikation. Richtlinien und organisatorische Vorgaben müssen so kommuniziert werden, dass die Mitarbeitenden wissen, was seitens der Geschäftsleitung gefordert ist. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die Kommunikation zu den jeweils ins Auge gefassten Adressaten passt. Eine Information für z.B. Ärztinnen und Ärzte darf eine andere Tiefe haben als der Durchsuchungsleitfaden, der an der Pforte hinterlegt wird. Die Kommunikation muss die Adressaten erreichen! Bei grundlegenden Themen wie z.B. einer Antikorruptionsrichtlinie macht es durchaus Sinn, Chefärzten und weiteren Führungskräften die Teilnahme an einer Schulung abzuverlangen. Denn sie sind ihrerseits Multiplikatoren für die ihnen nachgeordneten Mitarbeitenden. Geht es hingegen darum, allen Pflegenden zu erläutern, welche Geschenke von Patienten oder Angehörigen angenommen werden dürfen oder nicht (Stichwort Stationskasse), wären Schulungen wohl eine organisatorische Überforderung für die Krankenhäuser. Hier kommen andere Möglichkeiten, wie z.B. ein Beileger zum Gehaltsbrief, Aushänge auf den Stationen oder ein Erklärvideo im Intranet in Betracht. Schließlich bedarf es noch regelmäßiger Kontrollen, um herauszufinden, ob die eingeleiteten Compliance-Maßnahmen auch wirklich greifen. Kontrollen helfen, Lücken zu erkennen. Sie sind ein wichtiger Beitrag, um das Compliance-Management-System laufend zu optimieren.
Doch all das gelingt nicht, wenn es an der nötigen Compliance-Kultur mangelt. Nur wenn eine entsprechende Kultur vorhanden ist, werden die Mitarbeitenden das Thema innerlich mit tragen. Bei der Compliance-Kultur handelt es sich um den am wenigsten klaren Begriff. Für die Krankenhausleitung ist es mitunter schwierig einzuschätzen, ob sie eine hinreichende Compliance-Kultur etabliert hat oder nicht. Etablierte Standards, wie z.B. die DIN ISO 37301 (vgl. Ettwig, KU Gesundheitsmanagement Oktober 2021, Seite 75) geben jedoch Hinweise, wie eine Compliance-Kultur entwickelt werden kann. Von zentraler Bedeutung sind zwei Aspekte: Zunächst bedarf es der eindeutigen Erklärung der Geschäftsleitung, welches die zentralen Werte des Krankenhauses sind, an denen alle Handlungen auszurichten sind. Das wird in Teilen zwischen Krankenhäusern variieren. Die Leitsätze eines Krankenhauses in christlicher Trägerschaft können anders aussehen als die eines z.B. kommunalen Hauses. Fast noch wichtiger ist der zweite Aspekt: Es muss erkennbar sein, dass die Geschäftsleitung diese Werte aktiv implementiert (sog. tone of the top) und diese auch selbst befolgt. Nur wenn die Geschäftsleitung deutlich macht, dass sie Compliance auch als Selbstverpflichtung begreift und vorlebt, kann die Implementierung von Compliance gelingen. Hiervon wird es entscheidend abhängen, wie schnell, wie gut und wie nachhaltig Compliance-Erfolge erreicht werden.
Dabei sollte die Geschäftsleitung immer im Blick haben, dass ein funktionierendes Compliance-Management die Voraussetzung dafür ist, sich selbst zu entlasten, wenn es doch mal zu einem Vorfall kommt. Nur wenn kein Organisationsverschulden vorliegt, kann für die Geschäftsleitung die Entlastung im Krisenfall gelingen. Es lohnt sich also auch deswegen, mit gutem Beispiel voranzugehen.
Autor: Volker Ettwig, Rechtsanwalt, Certified Compliance Expert, Tsambikakis & Partner Rechtsanwälte mbB
Erschienen in KU Gesundheitsmanagement 09/2022