Nachhaltigkeit – dazu wurde doch mittlerweile in zahlreichen Beiträgen schon alles Wissenswerte durchdiskutiert, oder? Gefühlt wartet derzeit in jeder Fachzeitschrift mindestens ein Beitrag zu diversen korrespondierenden Fragestellungen. Und das ist natürlich auch richtig: Denn dass Nachhaltigkeit das Thema ist, das unsere Zukunft wie kein anderes beeinflussen wird, steht außer Frage. Auch die Tatsache, dass der Gesundheitssektor für einen bedeutsamen Teil der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich ist, dürfte mittlerweile bekannt sein.
Doch manchmal stellt sich aufgrund dieser Dauerpräsenz zwischen Diskussionen um „Environmental Social Governance“ und „Krankenhauszukunftsgesetz“ eine gewisse Ermüdung hinsichtlich des Themenkomplexes ein. Warum also noch ein Beitrag dazu, wie „Nachhaltigkeit“ umgesetzt werden könnte? Gerade weil es sich um ein Thema handelt, welches gleichzeitig allgegenwärtig und dennoch nur schwer konsequent implementierbar ist. Während in der Debatte manchmal die Übersichtlichkeit verloren geht, lohnt sich ab und an ein vergleichender Blick, um die eigene Perspektive neu auszurichten.
Es gibt in der Gesundheitsbranche gegenwärtig zahlreiche Baustellen, an denen zur Optimierung angesetzt wird: Wie können Lieferantenbeziehungen neu gedacht werden und welche Rolle spielen die Produktionswege eines Wirtschaftsguts sowie dessen Langlebigkeit und Recyclingmöglichkeiten? Wie kann die Digitalisierung weiter vorangebracht werden, um Abläufe effizienter zu gestalten und dadurch Ressourceneinsätze zu minimieren? Wie sollte mit dem riesigen Energiebedarf von Gesundheitseinrichtungen umgegangen werden und welche Rolle müssen energetische Sanierungen oder Neubauten hierbei spielen?
Klar ist, dass die kurzfristig monetär günstigere Lösung in vielen Fällen auf lange Sicht die höheren sozialen Kosten verursachen wird. Daher stellt sich nicht zuletzt auch die Frage, wie sich die Finanzierung des Gesundheitswesens langfristig verändern muss, um den zukünftigen Entwicklungen gewachsen zu sein.
Zwischen dem Blick aufs „große Ganze“ und den Rufen nach mehr politischer Aktivität kann dabei jedoch untergehen, dass es auch relevante Handlungsschritte gibt, die einzelne Akteure jetzt schon unabhängig von gesetzgeberischem Handeln ergreifen können: Denkt man einen ressourcenschonenden Materialeinsatz, so kann beispielsweise auf Ebene der einzelnen Einrichtung der Einsatz von vermeidbaren Einwegprodukten reduziert werden, während im Rahmen der Digitalisierung der Anfall von tonnenweise Patientenakten im Papierformat abgeschafft werden könnte. Eine Liste von solch „kleinen“ Beispielen könnte lange weitergeführt werden – wobei die Frage, wie genau einzelne Konzepte zur Umsetzung auf Individualebene aussehen sollten, höchst kontrovers bleiben wird.
Essenziell ist daher, dass es in jedem Teilbereich Expertinnen und Experten gibt, die Handlungskonzepte entwickeln, welche dann wiederum von den Entscheiderinnen und Entscheidern in der Praxis auf ihre Umsetzbarkeit überprüft werden. Bei einem solch weitreichenden Thema kann von keiner Einzelperson verlangt werden, in allen Bereichen umfassend informiert zu sein. Es ist deshalb umso wichtiger, bei jeder Entscheidung im Blick zu behalten, dass es sich potenziell auch um eine Stellschraube handelt, die zur nachhaltigeren Ausrichtung des Unternehmens beitragen könnte.
Autor: Harald Maas, Partner Healthcare, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Erschienen in KU Gesundheitsmanagement 08/2022