Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Medizincontrolling e.V. zur Richtlinie über die Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik im Krankenhaus des Gemeinsamen Bundesausschusses
Heidelberg. Aus Sicht des FEPP – Fachausschuss Entgeltsystem Psychiatrie und Psychosomatik der Deutschen Gesellschaft für Medizincontrolling e.V. (DGfM) – verfehlt die Richtlinie in ihrer derzeitigen Form ihr Ziel auf ganzer Linie und bedarf einer grundsätzlichen Überarbeitung.
Deutschlands Krankenhäusern geht es schlecht. Seit Pandemiebeginn befinden sich Kliniken in einem andauernden Stresstest. Besonders angespannt ist die Situation in Häusern mit psychiatrischen und/oder psychosomatischen Abteilungen.
Ein wesentlicher Grund für die zusätzliche wirtschaftliche Belastung liegt in der Richtlinie zur Personalausstattung für psychiatrische und psychosomatische Krankenhäuser, kurz PPP-RL, welche einschlägige Kliniken seit über zwei Jahren umsetzen müssen.
Der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) sollte zum Zwecke der gesetzlichen Qualitätssicherung verbindliche Vorgaben machen. Die Richtlinie legt geeignete Maßnahmen zur Sicherung der Qualität in der psychiatrischen, kinder- und jugendpsychiatrischen und psychosomatischen Versorgung fest. Dazu werden insbesondere verbindliche Mindestvorgaben für die Ausstattung der stationären Einrichtungen mit dem für die Behandlung erforderlichen Personal für die psychiatrische und psychosomatische Versorgung bestimmt.
Allerdings verfehlt diese in ihrer derzeitigen Form ihr Ziel auf ganzer Linie und führt zu einer Bevormundung von psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen, zu einer Beschädigung von regionalen Versorgungskonzepten sowie zu einer weiteren wirtschaftlichen Schieflage von medizinischen Einrichtungen.
Die PPP-RL führt durch die komplizierten Meldewege und unverhältnismäßig hohen Dokumentationsforderungen zu einem hohen Bürokratieaufwand, der sehr betreuungsaufwendig ist und einen zusätzlichen hohen Personalbedarf erfordert. Auch verkennt die Richtlinie durch ihre fest zu erfüllenden, völlig praxisfernen und wissenschaftlich nicht fundierten Vorgaben, dass eine flexible und kurzfristige Personalsteuerung insbesondere mit Blick auf den Fachkräftemangel nicht möglich ist. Ebenso müssen die Häuser aufgrund mangelnder Gegenfinanzierung die Kosten zusätzlich aufbringen oder aus anderen Bereichen abziehen.
Das seit vier Monaten laufende PPP-RL-Benchmark-Projekt, welches von den Klinikstandorten Göttingen, Lüneburg und Hannover gestartet wurde und sich vom FEPP-Fachausschuss beraten lässt, zeigt, dass Kliniken seit über einem Jahr die in der PPP-RL festgesetzten Umsetzungsgrade in großer Summe nicht erreichen: Im zweiten Quartal 2022 erfüllten über 60% der auf Erwachsenenpsychiatrie sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie spezialisierten Kliniken die von der Richtlinie geforderten Mindestvorgaben nicht. Die Tendenz ist steigend.
Beim unveränderten Fortbestehen der Richtlinie drohen zahlreiche Risiken für die Krankenhäuser: Bei Nichterfüllung der PPP-RL droht psychiatrischen Einrichtungen bereits ab Beginn des kommenden Jahres der “Wegfall des Vergütungsanspruchs”. Um diesen Sanktionen zu entgehen, werden Kliniken mit Maßnahmen reagieren müssen, die sich negativ auf den Personaleinsatz auswirken, der in einer modernen Psychiatrie erforderlich ist. Es besteht die große Gefahr, dass der Personaleinsatz sich nicht mehr an der Patientenversorgung orientiert, sondern an der Sanktionsvermeidung. Auch sinkt die Versorgungsqualität für psychisch kranke Menschen. Die Kliniken geraten in massive Konflikte, da sie einerseits ihrem regionalen Pflichtversorgungsauftrag nachkommen müssen und sich andererseits durch die PPP-RL gezwungen sehen könnten, die Belegungszahlen zu reduzieren, um die Umsetzungsgrade erreichen zu können; ein weiterer Teufelskreis. Dass mit der PPP-RL ein für entsprechende Einrichtungen quasi nicht umsetzbarer Maßnahmenkatalog geschaffen wurde, suggeriert, dass psychiatrische und psychosomatische Abteilungen keine leitliniengerechte Behandlung durchführen – Wasser auf die Mühlen der Anti-Psychiatrie-Bewegung im Kontext von Stigmatisierungsdiskussionen.
Aus diesen Gründen fordert der FEPP-Fachausschuss Entgeltsystem Psychiatrie und Psychosomatik der Deutschen Gesellschaft für Medizincontrolling e.V. die Politik eindringlich zu einer Aussetzung der Sanktionen und Überarbeitung der PPP-RL auf.