Die andere Seite des Whistleblowing
Beim Thema Whistleblowing denkt man unweigerlich an (anonyme) Meldungen und wie damit umzugehen ist. Der Beitrag beleuchtet einen anderen Aspekt des künftigen Hinweisgeberschutzgesetzes, nämlich den besonderen Schutz von Hinweisgebern.
Beim Whistleblowing denkt man unweigerlich an Hinweisgeber- Systeme (vgl. Ettwig, KU-Gesundheitsmanagement, 10/2021, S. 73) und an anonyme Meldungen. Krankenhausunternehmen werden gerade jetzt von allen Seiten beworben. Verschiedene Lösungen werden angeboten: Von der selbst betriebenen Meldestelle bis zur Full-
Service-Dienstleistung reicht das Angebot. Sich damit zu befassen, ist sicher nicht falsch, denn das Hinweisgeberschutzgesetz wird bald in Kraft treten und dann sollten Lösungen gefunden und etabliert sein.
Aber das Gesetz regelt noch mehr. Und das blieb – außer vielleicht in der Fachliteratur für Personalverantwortliche – bisher weitestgehend unerwähnt. Das künftige Hinweisgeberschutzgesetz will sicherstellen, dass Hinweisgeber keine Repressalien dafür erleiden, dass sie einen Hinweis gegeben haben. Deshalb kommt die Silbe „Schutz“ bereits im Namen des Gesetzes vor. Wer künftig unter den Voraussetzungen des HinSchG einen Hinweis abgibt, gehört zum Kreis der besonders geschützten Personen. Mit vom Schutz umfasst sind sogar diejenigen, „die die hinweisgebende Person bei einer internen oder externen Meldung (…) vertraulich unterstützen.“ Für diesen Personenkreis sagt das Gesetz nun: „Gegen hinweisgebende Personen gerichtete Repressalien sind verboten.“ Um dies durchzusetzen, sieht das Gesetz eine Beweislastumkehr vor. Das bedeutet, dass derjenige, der eine Maßnahme gegen eine hinweisgebende Person ergreift – z.B. der Personalleiter des Krankenhauses, der eine Abmahnung erteilt – beweisen muss, dass die Abmahnung nicht im Zusammenhang mit dem gegebenen Hinweis steht.
Diesen Nachweis zu führen, wird nicht immer einfach sein. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass personelle Einzelmaßnahmen – wie z.B. eine Abmahnung gegenüber Personen, die kürzlich einen Hinweis gegeben haben – schwerer durchsetzbar sein werden. Jedenfalls haben Mitarbeitende die Chance, durch einen Hinweis die Beweislastumkehr auszulösen. Das muss dann natürlich ein offener Hinweis sein und gerade nicht ein anonymer. Dieser Regelungsmechanismus hat Missbrauchspotenzial. Denn viele Mitarbeitende kennen irgendeinen kleineren oder größeren Missstand. Eigentlich würde man sich nicht drum kümmern. Doch wenn jemand eine Abmahnung oder gar eine Kündigung fürchten muss, kann das Geben eines Hinweises und das Berufen auf das Verbot von Repressalien als Ausweg erscheinen.
Wie streng die Anforderungen für die Beweislastumkehr letztlich sein werden, wird die Rechtsprechung entscheiden müssen. Bis dahin bleibt für Personalverantwortliche eine gewisse Unsicherheit. Und effektive Gegenmaßnahmen sind rar. Letztlich gibt es nur zwei Punkte, auf die Personalverantwortliche unbedingt achten sollten, damit es nicht zum Missbrauch der Schutzregelungen kommt. Zum einen sollten Personalverantwortliche in Krankenhäusern personelle Einzelmaßnahmen jeweils immer zeitnah ergreifen. Das reduziert die Gefahr, dass versucht werden kann, durch einen Hinweis unter den besonderen Schutz des Gesetzes zu gelangen. Darüber hinaus ist unbedingt zu empfehlen, personelle Einzelmaßnahmen nur dann zu ergreifen, wenn sie sachlich gut begründet und gut dokumentiert sind. Das sollte immer die Voraussetzung für eine personelle Einzelmaßnahme sein. Das künftige Hinweisgeberschutzgesetz macht aber einmal mehr deutlich, wie wichtig dieser Grundsatz ist. Zwar wird sich ein wirtschaftlicher Schaden, der einen Schadensersatzanspruch nach dem HinSchG begründet, oftmals nicht ergeben. Aber die Gesetzesbegründung weist ausdrücklich darauf hin, dass ein Anspruch auf Schmerzensgeld oder wegen Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts bestehen kann. Vorsicht ist geboten, bis die Rechtsprechung hier irgendwann den Weg weist.
Autor: Volker Ettwig, Rechtsanwalt, Certified Compliance Expert, Tsambikakis & Partner Rechtsanwälte mbB
Erschienen in KU Gesundheitsmanagement 12/2022