…Michele Tarquinio, Pflegedirektor Klinikum Darmstadt
Welche Ihrer Vorzüge werden verkannt?
Ich denke, dass mein grundsätzliches Interesse an allem Neuen bzw. meine Wissbegierde oft nicht als Vorzug erkannt werden. Ich möchte ein Problem, einen Standpunkt, einen Ablauf oder eine Person verstehen beziehungsweise kennenlernen. Mir geht es primär um Erkenntnisgewinn und Erweiterung meiner Erfahrungen – dabei kann ich sehr beharrlich sein. Beide Eigenschaften helfen mir besonders in schwierigen Zeiten, mich positiv mit neuen Anforderungen und gravierenden Veränderungen auseinanderzusetzen und neue Lösungen zu finden. Auch fällt es mir deswegen sehr leicht, mit Menschen in Kontakt zu kommen und zu bleiben. Kurz gesagt: Ich habe sehr große Freude am Lernen und Entdecken, am Lösen von Problemen und gehe offen und positiv
auf Neues zu.
Was war Ihre größte Fehlentscheidung und was haben Sie daraus gelernt?
Es gibt nichts, was ich heute bereue. Der, der ich heute bin, bin ich auch wegen der Summe aller Entscheidungen, die ich in meinem Leben getroffen habe – und weil ich aus guten wie schlechten Entscheidungen gelernt habe. In meinen früheren Berufsjahren habe ich zu früh Kompromisse geschlossen, um beispielsweise ökonomische Zielvorgaben zu erreichen. Dies hat sich dann in der Folge sehr negativ auf die Organisationsfähigkeit der Berufsgruppe Pflege ausgewirkt und hat die Selbstwirksamkeit von Teams stark eingeschränkt. Das ist keine klassische Fehlentscheidung, jedoch, aus heutiger Sicht betrachtet, ein fehlgeleitetes und auf Kurzfristigkeit ausgelegtes Handeln – ein Fehler, der mir aber heute hilft. Heute verfolge ich andere Lösungsansätze, um dennoch die Ziele zu erreichen und nachhaltiger dabei zu sein.
Welches politische Projekt sollte schnell umgesetzt werden?
Die dringend erforderliche Struktur- und Finanzierungsreform des Gesundheitswesens und die damit verbundene Neuordnung der Gesundheitsversorgung in Deutschland, die nachhaltige Fachkräftesicherung sowie die Stärkung der Berufsgruppe der Pflegenden und ihre Beteiligung als gleichberechtigter Verhandlungspartner an allen Entscheidungstischen, sind die zentralsten Herausforderungen dieses Jahrzehnts und benötigen zeitnahes Handeln und umsetzbare Konzepte.
Was ertragen Sie nur mit Humor?
Menschen mit ausgeprägtem Geltungsdrang und Egoismus, die Unternehmensziele ignorieren und ausschließlich ihrer eigenen Programmatik folgen. Das ertrage ich meist nur mit einer sehr großen Portion Humor.
Wie können Sie am besten Stress abbauen?
Eine Laufrunde im Wald, Wandern oder Spazierengehen sind Aktivitäten, die meinen Stresspegel reduzieren – aber auch bei einem guten Mittagessen und einem guten Gespräch mit einer vertrauten Person, kann ich sehr gut vom Alltag abschalten. Kleine Auszeiten nehme ich mir am liebsten, indem ich mit meiner Partnerin Städte entdecke und bereise.
Quelle: KU Gesundheitsmanagement 12/2022