Was es zu beachten gilt

Das Bundessozialgericht hatte kürzlich über eine Konstellation zu entscheiden, die von Zeit zu Zeit vorkommt und dann auch durch die Medien geht. Jemand, der keine ärztliche Prüfung abgelegt hatte, hat gleichwohl eine Approbation erlangt. Dies geschah durch Vorlage gefälschter Zeugnisse. Wenn man von einem solchen Schwindel betroffen ist, denkt man sofort an arbeitsrechtliche Konsequenzen (Anfechtung des Arbeitsverhältnisses wegen arglistiger Täuschung). Oder man denkt darüber nach, wie ein solches Verhalten strafrechtlich zu bewerten ist. Bekannt ist, dass sich das Krankenhaus unverzüglich vom vermeintlichen Arzt getrennt hat. Außerdem hat die zuständige Behörde die Approbation zurückgenommen. Und strafrechtlich wurde der vermeintliche Arzt wegen Körperverletzung und Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
Doch um welchen weiteren Aspekt ging es dann in dem Verfahren vor dem BSG (Urt. v. 26.4.2022 – B 1 KR 26/21 R)? Eine Krankenkasse hatte vom betroffenen Krankenhaus die Erstattung von Vergütungen von Behandlungen gefordert, an denen der vermeintliche Arzt beteiligt gewesen ist. Das BSG gelangte zu der Auffassung, dass der klagenden Krankenkasse beizupflichten sei. Das Krankenhaus sei zur Erstattung der rechtsgrundlos erlangten Vergütung verpflichtet. Zwar liege keine schuldhafte Pflichtverletzung des Krankenhauses vor. Denn das Krankenhaus durfte darauf vertrauen, dass die von einer Behörde erteilte Approbation richtig war. Es bestand nach Auffassung des BSG keine eigenständige Prüfungspflicht. Doch im Ergebnis nutzt das dem Krankenhaus wenig. Das BSG gelangt nämlich doch zu einem Erstattungsanspruch, weil die klagende Krankenkasse die Vergütung ohne einen Rechtsgrund erbracht habe. An einem Rechtsgrund für die Vergütung fehle es dann, wenn ein Nichtarzt an einer Behandlung mitgewirkt hat, die dem Arztvorbehalt unterliegt. Den sehe das SGB V vor, denn der Arztvorbehalt sei ein wesentlicher Bestandteil des Qualitätsangebots. Bei der Approbation handele es sich um eine widerlegbare Vermutung, dass eine medizinische Mindestqualifikation vorliege, die durch eine ärztliche Prüfung nachgewiesen wird. Aber die Approbation fingiere nicht das Vorliegen der ärztlichen Prüfung. Soll heißen, wenn es an der ärztlichen Prüfung fehlt, liegt objektiv kein Rechtsgrund vor, der die gezahlte Vergütung rechtfertigt.
Weil dem angeblichen Arzt die Approbation mit Wirkung für die Vergangenheit bestandskräftig entzogen worden war, habe zu keinem Zeitpunkt ein Rechtsgrund für die gezahlte Vergütung bestanden. Einschränkend gelangte das BSG aber zu der Auffassung, dass dies nur Behandlungen betreffen könne, an denen der vermeintliche Arzt auch mitgewirkt hatte. Das BSG führte aus, dass die Qualitätsvorgaben für Krankenhäuser den Vergütungsanspruch daran knüpften, dass alle rechtlichen Anforderungen erfüllt seien. Dazu gehöre auch, dass ärztliche Leistungen nur von Ärzten erbracht werden dürfen. Komme es zu Verstößen, sei die Leistung insgesamt nicht zu vergüten.
Vorliegend haben wir die seltene Konstellation, dass ein Compliance-Verstoß ausdrücklich nicht vorliegt, gleichwohl aber ein wirtschaftlicher Schaden für das Krankenhaus entstanden ist. Was kann man daraus lernen? Ungeachtet, wie weit die Pflicht zur Prüfung einer Approbation geht, sollte eine sehr genaue Prüfung ärztlicher Unterlagen bei Einstellung erfolgen. Zeugnisse u.ä. sollten auf jeden Fall im Original eingesehen werden. Geringste Zweifel sind Grund genug, weiter zu prüfen, z.B. durch Rückfrage bei der Approbationsstelle.
Denn denkt man den Fall weiter, so hat er noch eine Folge, die für das Krankenhaus bedeutsam ist. Man könnte auf den Gedanken kommen, ob dieser Schaden vielleicht bei der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung geltend gemacht werden kann. Doch das scheidet m.E. auch aus. Das BSG gelangte ja gerade zu dem Ergebnis, dass keine Pflichtverletzung vorlag. Und ohne eine solche fehlt es an einer entscheidenden Voraussetzung für die Eintrittspflicht einer Versicherung. Das Krankenhaus bleibt auf seinem Schaden sitzen. Letzter Rettungsanker ist, den vermeintlichen Arzt in Anspruch zu nehmen. Das hat das Krankenhaus auch getan. Heraus kam ein Vergleich von weniger als 10 % der geforderten Summe.
Autor: Rechtsanwalt Volker Ettwig, Certified Compliance Expert, Tsambikakis & Partner Rechtsanwälte
Quelle: KU Gesundheitsmanagement 2/2023