
Das Gesundheitssystem in Deutschland wird, wie viele andere gesellschaftliche und wirtschaftliche Bereiche, fortlaufend mit strukturellen Veränderungen konfrontiert. Dieser Wandel wird durch unterschiedliche Entwicklungen und Einflüsse – wie die fortschreitende Digitalisierung, die Auswirkungen der alternden Babyboomer-Generation, die sich verändernde Fachkräftesituation im medizinisch-pflegerischen Bereich oder die Wandlung von einer sektoralen zu einer integrierten Versorgung – vorangetrieben.
Auswirkungen dieser strukturellen Veränderungen lassen sich an unterschiedlichen Stellen im Krankenhausbetrieb beobachten. Der aktuell schon große Fachkräftemangel wird sich weiter zuspitzen. Bereits im Jahr 2035 könnte es laut Prognosen rund 1,8 Millionen offene Stellen im deutschen Gesundheitswesen geben. Um dem drohenden Personalmangel entgegenzuwirken, sind neue Versorgungsmodelle, Kapazitätsanpassungen und Veränderungen der Arbeitsbedingungen, die die Attraktivität der Gesundheitsberufe steigern, unverzichtbar. Zudem nimmt der Anteil der Stadtbevölkerung im Vergleich zur Landbevölkerung seit Jahrzehnten kontinuierlich zu, wodurch insbesondere im Hinblick auf die Versorgungssicherheit und Erreichbarkeit von Krankenhäusern neue Herausforderungen entstehen. Die ESG-Vorgaben sind Folge internationaler struktureller Veränderungen und zeigen erste konkrete Auswirkungen auf Krankenhäuser. Kliniken beschäftigen sich mit der Reduzierung ihres CO2-Ausstoßes und der Erstellung einer Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Die geschilderten Entwicklungen haben konkrete Auswirkungen auf den Krankenhausmarkt, beispielsweise durch eine fortschreitende Ambulantisierung. Operationen oder diagnostische Eingriffe werden ambulant und nicht mehr stationär durchgeführt. Sie können dadurch eine Möglichkeit bieten, Teilen der strukturellen Herausforderungen zu begegnen. Ambulante Eingriffe entlasten das medizinische, insbesondere das pflegerische Personal. Zukünftig sollen mehr Leistungen ambulant angeboten werden können. 2019 waren noch etwa 10% der OPS Kodes AOP-Leistungen. Dies erscheint auch notwendig, wenn man sich beispielsweise die Zahlen des DKI anschaut: Sowohl die Fallzahlen als auch die GKV-Ausgaben für ambulantes Operieren in Krankenhäusern sind zwischen 2010 und 2020 nahezu gleichgeblieben. 2020 erbrachten Krankenhäuser nur 23% des AOP Leistungsvolumens. Daher soll der AOP-Katalog nun erweitert werden und mehr tagesstationäre Behandlungen sollen möglich werden. Die Ambulantisierung der Krankenhäuser wird also kommen und mehr und mehr Krankenhäuser werden ambulante Operationen durchführen. Die Vergütung dieser ambulanten Leistungen durch Krankenhäuser wird allerdings noch zu diskutieren sein.
Der beschriebene Strukturwandel stellt jedoch nicht nur die Vergütung von AOP-Leistungen in Frage, sondern kann auch als Treiber für eine Reform des DRG-Systems gesehen werden. Die steigende Anzahl an pflegebedürftigen Menschen bei gleichzeitigem Fachkräftemangel, gepaart mit einem Rückgang an Fallzahlen und der Bettenauslastung setzen die Finanzierung der Krankenhäuser unter Druck. Die bestehenden Strukturen aufrecht zu erhalten wird zunehmend herausfordernder. Auch das BMG sieht diese Entwicklung und hat mit einer Regierungskommission drei Vorschläge vorgelegt: die Einführung einer Vorhaltefinanzierung, die Definition von Krankenhaus-Versorgungsstufen (Leveln) sowie die Einführung von definierten Leistungsgruppen. Eine zusätzliche Option ist die Auslösung der Kinderkliniken und Geburtshilfen aus dem DRG-System. Die Zahl der Betten in Kinderkliniken geht seit Jahren zurück und pädiatrische Abteilungen müssen in Kliniken quersubventioniert werden. Ein Vorschlag der Regierungskommission lautet daher, das Grundbudget für die Pädiatrie zu erhöhen. Die Vielzahl der unterschiedlichen Reformvorschläge zeigt, dass die sich ändernden strukturellen Rahmenbedingungen eine Veränderung des DRG-Systems notwendig machen.
Autor: Paul Haag, Sector Manager Healthcare, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Erschienen in KU Gesundheitsmanagement 02/2023