Ein anonymer Hinweis geht ein
Der Fall: In einem Krankenhaus geht ein anonymer Hinweis ein. Das wird künftig häufiger passieren, weil demnächst alle Krankenhäuser mit mehr als 50 Mitarbeitenden ein Hinweisgeber-System vorhalten müssen (vgl. Ettwig, KU Gesundheitsmanagement 09/2021, S. 63). Die hinweisgebende Person behauptet, dass Ärzte des Krankenhauses teure Einladungen und Geschenke entgegengenommen haben sollen. Im Gegenzug sollen sie dafür sorgen, dass technische Produkte eines bestimmten Herstellers bevorzugt verwendet werden. Zusätzlich kündigt die hinweisgebende Person an, den Fall öffentlich bekannt zumachen.
Nun ist guter Rat teuer. Wie soll man mit einem solchen Hinweis umgehen? Eines ist klar: Ignorieren darf man den Hinweis nicht. Im künftigen Hinweisgeberschutzgesetz wird ausdrücklich stehen, dass erforderliche Folgemaßnahmen einzuleiten sind. In einem solchen Fall ist es vorteilhaft, wenn das Krankenhaus über ein Hinweisgeber-System verfügt, das die Möglichkeit bietet, mit der hinweisgebenden Person anonym zu kommunizieren. So kann man der hinweisgebenden Person eine Eingangsbestätigung schicken und damit gleich signalisieren, dass man den Vorwurf ernst nimmt und prüft. Außerdem kann man Rückfragen stellen. Das bietet sich auch im o.g. Fall an. Es wäre von großem Interesse, wenn die hinweisgebende Person den Sachverhalt weiter eingegrenzt: Wer war beteiligt, wann sollen Einladungen erfolgt oder Geschenke übergeben worden sein usw.
Nur mit diesen Informationen kann die weitere interne Aufklärung gelingen. Die muss dann auch erfolgen. Im oben beschriebenen Fall bietet es sich an, diejenigen Personen, die in Verdacht geraten sind, zu befragen. Dabei gilt die Unschuldsvermutung. Aus arbeitgeberseitiger Fürsorge hat sich das Krankenhaus schützend vor die Mitarbeitenden zu stellen, solange nicht ein ernsthafter gegenteiliger Verdacht aufkommt. Die Interviews sollten strukturiert anhand eines einheitlichen Fragenkatalogs erfolgen. Das bietet Gewähr, dass keine Fragen vergessen und die erhaltenen Antworten verschiedener Personen miteinander verglichen werden können. Ergänzend sollten Umfeldrecherchen angestellt werden. Wenn die hinweisgebende Person z.B. den Zeitraum, die Personen oder auch Orte näher benannt hat, kann man weiter recherchieren. Beispielsweise können Dienstreisen im fraglichen Zeitraumgeprüft werden. Genannte Hotels oder Restaurants sollten recherchiert werden, um zu checken, ob sie im Rahmen der internen Antikorruptionsregeln des Krankenhauses akzeptabel sind oder nicht. So entsteht aus vielen Puzzleteilchen ein zunehmend runderes Gesamtbild. Am Ende steht dann die Entscheidung, ob Maßnahmen ergriffen werden.
Wichtig erscheinen mir aus meiner Erfahrung bei der Begleitung solcher Vorfälle noch vier Punkte:
- Es kann sich anbieten, frühzeitig anwaltliche Unterstützung hinzuzuziehen. Man kann die Erfahrung spezialisierter Rechtsanwälte nutzen, denn dies objektiviert auch die interne Untersuchung.
- Es sollte frühzeitig überlegt werden, ob eine Kommunikationsagentur eingebunden werden muss, die ggf. ein passendes Pressestatement vorbereitet. Sie kann aber auch dabei unterstützen, aktive Kommunikation zu betreiben, falls der Hinweis zu negativer Presse über das Krankenhaus führt. Wenn schon mit der Presse gedroht wurde, scheint mir die Einbeziehung auf jeden Fall geboten.
- Meist ist es gut, interne Gremien (Gesellschafter/Aufsichtsrat) grob zu informieren. Es sollte vermieden werden, dass die Vorsitzenden entscheidender Gremien derartige Vorfälle aus der Presse erfahren.
- Es muss von Anfang an ein fortlaufendes Protokoll über alle Aktivitäten, Entscheidungen und wesentlichen Untersuchungsergebnisse geführt werden. Das versetzt die Geschäftsleitung in die Lage, jederzeit gegenüber den eigenen Gremien, der Presse und schlimmstenfalls auch gegenüber Ermittlungsbehörden zu belegen, dass alle erforderlichen Aktivitäten rechtzeitig erfolgt sind.
Nicht selten können solche Hinweise zur Kritik am Verhalten der Geschäftsleitung verwendet werden. Um hier keine Angriffsfläche zu bieten und jederzeit auf die Protokolle des internen Vorgehens zurückgreifen zu können, gilt der Grundsatz: Wer schreibt, der bleibt!
Autor: Rechtsanwalt Volker Ettwig, Certified Compliance Expert, Tsambikakis & Partner Rechtsanwälte mbB
Erschienen in KU Gesundheitsmanagement 03/2023