Saarländische Krankenhausgesellschaft (SKG) wendet sich an Ministerpräsidentin des Saarlandes Anke Rehlinger
Saarbrücken. Die SKG bittet in einem offenen Brief die Ministerpräsidentin um Hilfe.
Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin,
nicht erst seit der Vorstellung der „Dritten Stellungnahme und Empfehlung der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung: Grundlegende Reform der Krankenhausvergütung“ sind die Verantwortlichen der saarländischen Krankenhäuser in großer Sorge um die wirtschaftliche Zukunft der Kliniken im Land. Die gesetzlich verordnete Unterfinanzierung der stationären Versorgung ist neben dem anhaltenden und sich verschlimmernden Personalmangel gegenwärtig das Hauptproblem der Krankenhäuser. Statt die Krankenhausfinanzierung auf neue Füße zu stellen („Entökonomisierung“, wie es der Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach nennt), entpuppt sich das Papier der Regierungskommission als Dokument für eine bundeseinheitliche Krankenhausplanung mit dem erkennbaren Ziel, viele Krankenhäuser faktisch zu schließen, und lässt entscheidende Finanzierungsfragen unbeantwortet.
Der Vorstand der Saarländischen Krankenhausgesellschaft e.V. (SKG) hat sich wiederholt dazu bekannt, die Krankenhausstruktur im Saarland bedarfsgerecht und zukunftsfest weiter zu entwickeln. Im Folgenden möchten wir Ihnen unsere Bewertungen mitteilen und Sie bitten, sich für eine Weiterentwicklung der Kliniken im Land und den Erhalt einer wohnortnahen Krankenhausversorgung einzusetzen.
Grundlegende Annahmen
Wir gehen zunächst davon aus, dass die Krankenhausstrukturreform, wie sie Bund und Länder gemeinsam planen wollen, sowohl die grundgesetzlich geschützte Planungshoheit der Länder als auch den Grundsatz der Trägerpluralität und die Grundrechte der Krankenhausträger beachtet. Weiterhin gehen wir davon aus, dass den Ländern mit weitgehenden Öffnungsklauseln eine Berücksichtigung der regionalen und lokalen Versorgungssituation dauerhaft ermöglicht wird.
Versorgungslevel und/oder Versorgungsstufen
Es erschließt sich aus den Vorschlägen der Regierungskommission nicht, warum neben den Leistungsgruppen auch noch Versorgungslevel für die Etablierung einer sachgerechten Vorhaltefinanzierung gebraucht werden. Viele Länder (so auch das Saarland) kommen seit Jahren sehr gut ohne diese Level aus – die Krankenhausplanung auf der Basis von „Versorgungsstufen“ wurde im Saarland bereits vor vielen Jahren (aus gutem Grund) abgeschafft.
Eine bundesweite Clusterung der Krankenhäuser nach der Levelsystematik in fixer Kombination mit Leistungsgruppen, wie sie der Bundesgesundheitsminister offenkundig anstrebt, ist dysfunktional. Das hat auch die Auswirkungsanalyse der Deutschen Krankenhausgesellschaft e.V. (DKG) eindrucksvoll gezeigt.
Wenn man allerdings an der Einführung von Versorgungsstufen festhalten will, dann sollten sich diese an den Notfallstufen des G-BA orientieren. Dieses System könnte einen einheitlichen Rahmen für die Einstufung der Krankenhausstandorte bilden, der zur Anbindung der Vergütung der Vorhaltung in der Notfallversorgung geeignet ist. Ferner braucht es in diesem Falle Möglichkeiten durch Kooperationen von Standorten gemeinsam höhere Level zu erreichen, um das System flexibler an die Gegebenheiten vor Ort anzupassen.
Leistungsgruppen
Das Modell der Regierungskommission mit 128 Leistungsgruppen, die darüber hinaus noch unzureichend abgegrenzt sind, führt u.E. unausweichlich zu drastischer bürokratischer Überregulierung. Die SKG empfiehlt stattdessen, sich am Modell der Leistungsgruppen in Nordrhein-Westfalen zu orientieren.
Die Leistungsgruppen dürfen jedenfalls nicht fix Leveln / Versorgungsstufen (sofern an diesen festgehalten wird) zugeordnet werden, wie es die Regierungskommission vorschlägt, weil aus dieser fixen Koppelung für das Saarland und viele andere Regionen ein großer Verschiebebahnhof von Leistungsgruppen zwischen Standorten und Trägern ausgelöst und zudem vermeidbarer erheblicher Investitionsbedarf induziert würde, ohne dass dieser durch etwaige zu erhoffende Qualitätsverbesserungen gerechtfertigt würde. Eine solche Regelung wäre daher alles andere als effizient zur Erreichung der definierten Kernziele der angestrebten Reform.
Finanzierung
Dass die versprochenen Finanzhilfen, mit denen die gröbsten Folgen der hohen Inflation und der exorbitanten Preissteigerungen im Bereich der Energiebeschaffung aufgefangen werden sollten, sich als nicht wirksam erwiesen haben (siehe Anlage), hat das Vertrauen in die Politik und ihre Versprechen schwer erschüttert. Die Krankenhausstrukturreform kann nur dann gelingen, wenn neben den oben angesprochenen Veränderungen am Konzept der Regierungskommission auch eine ausreichende Finanzierungsbasis der Krankenhäuser in Bezug auf die Betriebs- und Investitionskosten gegeben wird.
Aufgrund der strukturellen Unterfinanzierung, zusätzlich angefacht durch den mit dem Ukraine-Krieg ausgelösten Inflationsschock, muss zunächst ein auskömmlicher Inflationsausgleich (sowohl bezogen auf die Finanzierung schon bekannter als auch zu erwartender Tarifvertragsabschlüsse aller Berufsgruppen im Krankenhaus) die Ausgangsbasis in der Finanzierung tatsächlich verbessern. Deshalb schließt sich der Vorstand der SKG der Forderung der DKG an, dass mit einem „Vorschaltgesetz“ erst einmal die gegenwärtigen Finanzprobleme der Krankenhäuser im Bereich der Betriebskostenfinanzierung gelöst werden müssen. Denn wird die bestehende Unterfinanzierung perpetuiert, ist die reine Umverteilung von Betriebsmitteln in einen leistungsunabhängigen und einen leistungsorientierten Teil nicht zielführend. Es ist zu befürchten, dass bis zu dem Zeitpunkt, an dem die geplante Reform wirtschaftliche Wirkungen entfalten kann, nicht wenige Krankenhäuser vom Markt verschwunden sein werden. Das wäre eine kalte Strukturbereinigung, die wohl kein verantwortlicher Politiker wollen kann.
Auch müssen die neu entstehenden Strukturen am Ende der Veränderungsprozesse ausreichend investiv ausgestaltet werden. Neben der Anhebung der Investitionsmittel auf das bedarfsgerechte Niveau durch die Länder, bedarf es zusätzlicher Mittel aus einem Strukturfonds, der gezielt für die Veränderung der Strukturen eingesetzt wird. Die weitere Digitalisierung und das angestrebte Ziel der Klimaneutralität fordern ebenfalls eine spürbare Verstärkung der Investitionsmittel.
Ambulantisierung
Die Ambulantisierung am Krankenhaus von bisher stationär erbrachten Leistungen ist auch nach Ansicht der SKG erforderlich – auch um einen zielgerichteten Personaleinsatz zu erreichen und auf die Herausforderungen des Fachkräftemangels zu reagieren. Dazu brauchen die Krankenhäuser aber eine unbefristete Zulassung im Feststellungsbescheid, der auch für die ambulanten Leistungen gilt. Es fehlt aber bisher im Rahmen der Reformagenda die Einführung eines ambulant-klinischen Leistungsbereiches im Versorgungsauftrag der Krankenhäuser. Das Konzept der DKG zur Einführung von Hybrid-DRG-s muss insofern ein essentieller Bestandteil der Strukturreform werden, will man die Ambulantisierung erfolgreich umsetzen.
Die geplante sektorengleiche Vergütung nach § 115 f SGB V unterscheidet sich deutlich vom DKG-Vorschlag zur Einführung von Hybrid-DRGs; die Fortschreibung des AOP-Kataloges ist dazu weder geeignet noch mit dem Finanzierungskonzept der DKG zu Hybrid-DRGs zu verwechseln.
Bürokratieabbau
Die Beschäftigten in den Krankenhäusern erwarten daneben dringend von der Politik eine durchgreifende Entbürokratisierung. Die vollständige Umsetzung der Vorschläge der Regierungskommission führt jedoch zu einer Potenzierung der Bürokratie. Insofern sind dringend einfache und praktikable Umsetzungsvorschläge notwendig, um das System administrierbar zu halten.
Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin,
der Vorstand der SKG bittet Sie mit Nachdruck, sich im Interesse der Versorgungssicherheit im Saarland hinter diese Positionen zu stellen und nach Kräften dafür zu werben.
Gerne stehen wir Ihnen für einen persönlichen Austausch zu den angesprochenen Themenkomplexen zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Thomas Jakobs
Geschäftsführer
Ein gleichlautender Brief geht auch an:
den Gesundheitsminister Dr. Magnus Jung, die saarländischen Bundestagsabgeordneten, die Fraktionsvorsitzende und gesundheitspolitischen Sprecher der Fraktionen im Saarländischen Landtag
Quelle: SKG e.V.