Lauterbachs Gesetzespläne und die politischen Realitäten
Über 500 Tage sind vergangen, seit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach an Weihnachten 2022 ankündigte, die Optionen nicht-ärztlicher MVZ-Betreiber, ambulant aktiv zu werden, deutlich zu beschränken. Diese Ankündigung zielte insbesondere auf Private Equity Fonds als Geldgeber ab, würde aber grundsätzlich alle Kliniken als MVZ-Betreiber treffen. Trotz der Dringlichkeit und wiederholten Forderungen, hat sich bisher wenig getan. Für Klinik- und MVZ-Strategen bleibt die Frage offen: Wird ein neues MVZ-Gesetz kommen, wenn ja, wann?
Relevanz des GVSG für die ambulante Versorgung
Für die ambulante Versorgung, zu der alle MVZ als Regelversorgungsform zählen, entfaltet das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) besondere Relevanz. Lange hieß es, dass hier auch die Beschränkungsregeln zur MVZ-Trägerschaft untergebracht werden sollen. Doch der Referentenentwurf vom 13. April 2024 enthielt zu dieser Debatte nichts. Dabei darf als sicher gelten, dass die vorgesehenen Beschränkungen fertig formuliert sind und jederzeit eingefügt werden könnten. Allerdings stehen dem Vorhaben veritable und u.a. von renommierten Juristen vorgebrachte verfassungsrechtliche Bedenken entgegen.
Juristische Argumentation – über Verfassungsrechtliche Bedenken und Kritik von Fachverbänden
Eines der juristischen Hauptargumente gegen eine Begrenzung des Trägerkreises ist, dass eine solche Beschränkung in die Freiheit der Berufsausübung eingreifen würde, die durch Artikel 14 des Grundgesetzes garantiert wird. Solche Einschränkungen sind nur zulässig, wenn reale Gefahren für Bevölkerung oder Staat vorliegen. Befürworter von Trägerbeschränkungen können diese Gefahren jedoch nicht systematisch belegen. Selbst das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) bleibt in dieser Frage vage.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) äußert Bedenken. Der Vorsitzende der KBV, Andreas Gassen, riet Mitte März 2024 von einer stark regulativen Gesetzgebung ab und betonte, dass nach 20 Jahren MVZ keine Hinweise auf eine schlechtere Versorgung vorliegen.
Kühlen Kopf bewahren: Eine faktenbasierte Debatte über MVZ-Regulierung muss her
Der Vergleich der emotionalen Position von Minister Lauterbach mit der sachlich-nüchternen von KBV-Chef Gassen illustriert transparent den Widerspruch, der es so schwierig macht, auf die Frage, ob nun ein MVZ-Gesetz kommt oder nicht, eine eindeutige Antwort zu geben. Lauterbach warnt vor den Gefahren investorengetriebener MVZ, oft basierend auf anekdotischen Beweisen.
Die Debatte sollte aber auf Fakten basieren und nicht von Ängsten geleitet sein. Dafür ist es entscheidend, Transparenz über die MVZ-Strukturen zu schaffen, um eine fundierte Diskussion zu ermöglichen und mögliche Fehlentwicklungen zu identifizieren.
GVSG – die Zweite
Zurück zum GSVG. Dieses wurde vor seiner Veröffentlichung am 13. April 2024 auf Wunsch der FDP stark verändert. Wichtige Regelungen, die Kommunen und Gemeinden mehr Kompetenzen in der ambulanten Versorgung geben sollten, kommen nicht mehr darin vor. Entsprechende Passagen zu Primärversorgungszentren, Gesundheitsregionen und Community Health Nurses hat man einfach gestrichen. Diese Themen sollen im Herbst erneut verhandelt werden, jedoch bleibt die Zustimmung der FDP fraglich.
Enger Zeitplan für Gesetzesänderungen
Zugleich ist die Zeit für umfassende Gesetzesänderungen knapp, da spätestens im Februar 2025 der Bundestagswahlkampf beginnt. Im Umkehrschluss bedeutet dies üblicherweise, dass während des Wahlkampfmodus keine umstrittenen Gesetze mehr in Angriff genommen werden. Allerdings steht zwischen Juli und September 2024 erst einmal eine lange Sommerpause an. Ganze 15 Gesetze, die in der akuten Pipeline stehen, möchte der BMG bis dahin im Kabinett und möglichst auch im Bundesamt platzieren. Bereits jetzt ist klar, dass keines davon auf dem regulären Weg vor der Sommerpause ins Parlament eingebracht werden könnte, da die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien eine Reihe von Fristen zwischen den einzelnen Schritten vorschreibt, die den 24. April zum letzten Zeitpunkt gemacht haben, an denen das regulär möglich gewesen wäre.
Das bedeutet, dass Karl Lauterbach für alle aktuell offenen Projekte nicht nur vom Goodwill seiner Koalitionspartner abhängig ist, sondern auch von der Zustimmung des Bundesrates und des Bundestages, dass die Gesetze mit verkürzter Frist ins Parlament eingebracht werden dürfen. Ein Umstand, der zwar inhaltlich nicht relevant ist, da es hier nur um Verfahrensfragen geht – als strategischer Stolperstein aber kann dieser Aspekt gerade vom Bundesrat natürlich sowohl beim GVSG als auch beim KHVVG genutzt werden.
Unklare Zukunft der MVZ-Regulierung: Fortsetzung folgt.
Soweit es um die eingangs gestellte Frage geht, ob eine restriktive MVZ-Regulierung kommt oder eben nicht, bleibt derzeit nichts anderes, als auf die Summe der dargestellten Unwägbarkeiten zu verweisen und sich selbst seine Gedanken zu machen. Die Tatsache, dass eine solche Regulierung – trotz entsprechender Ankündigungen – nicht Teil des offiziellen Referentenentwurfes zum GVSG ist, kann vorläufig als Indiz gewertet werden, dass es relevante koalitionsintern Bedenken gegen die MVZ-Pläne des Gesundheitsministers gibt.
Angepasster Artikel aus KU Gesundheitsmanagement Ausgabe 06-2024
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Autorin: Susanne Müller