»

Lösung Gesundheitskiosk: Ein Modell für zukunftsfähige Gesundheitsversorgung

Händereichen in Herzform

Lösung Gesundheitskiosk: Ein Modell für zukunftsfähige Gesundheitsversorgung

Patientenversorgung

5 MIN

Hand in Hand für eine patientenorientierte Versorgung

Die Institution Gesundheitskiosk wird mit Blick auf das angekündigte Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) Patientinnen und Patienten in ganz Deutschland für niedrigschwellige Beratungs-, Informations- und Präventionsangebote nach dem Walk-In Prinzip zur Verfügung stehen und sie auf dem Weg zu mehr Gesundheitskompetenz begleiten. Auch für Krankenhäuser entsteht damit eine potenzielle Partnerorganisation, mit der gemeinsam eine effizientere Versorgung von Patienten möglich wird. In Hamburg, dem Geburtsort des ersten Gesundheitskioskes in Deutschland, wird diese Zusammenarbeit von Beginn an mitgedacht und gelebt.

Gesundheitskiosk im sozial schwachen Stadtteil

In Hamburg, insbesondere in den Stadtteilen Billstedt und Horn, leben viele sozioökonomisch benachteiligte Menschen, darunter Arbeitslose, Migranten, kinderreiche Familien und Alleinerziehende. Die Prävalenz für chronische, psychische und Erkrankungen im Kindesalter ist dort aus vielfältigen Gründen erhöht – mit entsprechenden Folgen für die Lebensqualität der Bewohner und die Ausgaben der Krankenkassen: Angesichts defizitärer Versorgungsstrukturen wurde 2017 der erste Gesundheitskiosk Deutschlands eröffnet, das „Hamburger Modell“. Die Initiatoren erkannten den großen Bedarf an einer niedrigschwelligen Versorgungseinrichtung und sahen gleichzeitig das Potenzial an infrastrukturellen und personellen Ressourcen im Stadtteil. So entstand ein Netzwerk aus über 150 Partnerorganisationen, gesteuert und koordiniert von der Netzwerkmanagergesellschaft Gesundheit für Billstedt/ Horn UG (GfBH). Im Zentrum steht der Gesundheitskiosk und fungiert als zentrale Anlaufstelle, die den Zugang zu Gesundheitsleistungen für vulnerable Patientengruppen verbessert und Patienten durch das Versorgungssystem navigiert. Examinierte und akademisierte, multilinguale Pflegefachpersonen und Hebammen betreuen die Bürger bedarfsorientiert und kontinuierlich in ihrer jeweiligen Muttersprache zu gesundheitlichen Themen, zentral am Marktplatz, zwischen Friseur und Telefonanbieter. Der Erfolgsfaktor: Die Mitarbeitenden nehmen sich Zeit, schaffen eine Vertrauensbasis und betrachten jeden Menschen individuell und ganzheitlich.

International etabliertes Modell für strukturell schwache Gebiete

Obwohl das Konzept Gesundheitskiosk in Deutschland 2017 noch einzigartig war, existieren international ähnliche Modelle bereits seit Jahren. In Finnland gibt es seit über einem Jahrzehnt die sogenannten Terveyskioski, die Informations- und Vermittlungsfunktionen übernehmen, insbesondere in ländlichen Regionen mit schwierigem Zugang zu medizinischer Versorgung. In den USA bieten die meist zentral in Einkaufszentren gelegenen Retail-Kliniken oder Convenient Care Clinics (CCC) primäre medizinische Versorgung, vor allem für Menschen ohne ausreichenden Krankenversicherungsschutz. Nun übernimmt der Gesundheitskiosk in Deutschland eine Schlüsselrolle als Schnittstelle zwischen medizinischer Versorgung und Sozialraum, was besonders vulnerablen Gruppen zugutekommt. Rund ein Drittel der Besucher des Hamburger Gesundheitskiosks war zuvor nicht im Gesundheitssystem erfasst.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit im Gesundheitskiosk

Im Gesundheitskiosk arbeiten Pflegefachpersonen und Ärzte eng zusammen, um eine umfassende Patientenberatung zu gewährleisten. Sie klären über Prävention und Ernährung auf, bereiten Arztgespräche vor und nach, führen Medikamentenanamnesen durch und unterstützen bei der Beantragung von Pflege- und Reha-Leistungen. Bei Bedarf werden Patienten an Ärzte oder soziale Einrichtungen weitergeleitet. Dieses Case-Management stärkt die abgestimmte Versorgung und verbessert die Gesundheit der Patienten durch eine multiprofessionelle, integrierte und präventive Betreuung.

Sektorenübergreifende Versorgung mit Patientenorientierung

Krankenhäuser sind wichtige Partner im Netzwerk des Gesundheitskiosks, insbesondere bei der poststationären Versorgung von multimorbiden Patientengruppen. Speziell geschulte Pflegefachpersonen, sogenannte Versorgungskoordinatoren, übernehmen die gezielte Steuerung in den ambulanten Sektor, kümmern sich um Terminvereinbarungen mit dem Gesundheitskiosk sowie die Zusammenstellung und Weiterleitung aller relevanter Entlassungsberichte. Diese sektorübergreifende Zusammenarbeit hat sich als erfolgreich erwiesen: Allein 2023 wurden 116 Patienten mit Herzinsuffizienz aus einem Partnerkrankenhaus erfolgreich zur Nachsorge an den Gesundheitskiosk überwiesen.

Studien belegen, dass Menschen mit komplexen Versorgungsbedarfen poststationär besonders vulnerabel sind, da häufig „Care Gaps“, also Diskrepanzen zwischen empfohlener Versorgung und der Versorgungsrealität entstehen. Der Gesundheitskiosk schließt diese Versorgungslücke und reduziert damit gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit weiterer langer Krankenhausaufenthalte.

Ein zukunftsweisendes Modell für die Gesundheitsversorgung

Gesundheitskioske sind in das Gesamtsystem integriert und klare Kommunikationsmechanismen sind etabliert, um eine reibungslose Zusammenarbeit mit bestehenden Gesundheitseinrichtungen sicherzustellen. Sie ergänzen die Primärversorgung, indem sie die Grundversorgung optimieren und Überlastungen in Krankenhäusern reduzieren. Poststationäre Versorgung wird durch die Zusammenarbeit verbessert und unnötige Krankenhauseinweisungen werden durch die strukturierte Anbindung der Patientengruppen an multilinguale Pflegefachpersonen im Gesundheitskiosk reduziert. Diese Struktur ermöglicht regelmäßige Überwachung und Früherkennung von Krankheiten, wodurch die Patientenversorgung und -zufriedenheit verbessert wird. Die Ausweitung des Konzeptes ist aus diesen Gründen sehr zu begrüßen. Wichtig ist ein partizipatorischer Ansatz bei der Errichtung eines Gesundheitskiosks: Die Initiatoren sollten zuvor eine standortorientierte Bedarfs- und Angebotsanalyse durchführen, damit das Angebot zur Region und zur potenziellen Zielgruppe passt. Bereits an diesem Punkt müssen die Akteure in der Region in den Analyseprozess und die Konzeptentwicklung einbezogen werden. Krankenhäusern, Arztpraxen, Apotheken, sozialen Einrichtungen usw. wird ausdrücklich empfohlen, ihre Expertise einzubringen.

Das „Hamburger Modell“ mit seinen mittlerweile fünf Standorten dient als Beispiel für die erfolgreiche Integration von Gesundheitskiosken in das bestehende Versorgungssystem.

Angepasster Artikel aus KU Gesundheitsmanagement Ausgabe 05-2024
Entdecken Sie die ausführliche Variante in unserem KU-Archiv
Autor/Autorin: Alexander Fischer und Clara Hirsch

Weitere aktuelle Meldungen erhalten Sie über unseren KU Newsletter: Jetzt anmelden!


Weitere Beiträge zu diesem Thema

Zerbst

Zerbst: Gemeinsame Lösung für den Krankenhausstandort

Köthen. Der Landkreis Anhalt-Bitterfeld und die Helios Kliniken GmbH haben sich nach intensiven und konstruktiven Gesprächen auf erste Eckpunkte für die Zukunft des Krankenhausstandortes Zerbst verständigt.

Patientenversorgung

Beitrag lesen
Notfallambulanzen

13 Millionen Behandlungen in Notfallambulanzen im Jahr 2024

Wiesbaden. An Feiertagen wie Weihnachten und Neujahr sichern die Notfallambulanzen in Deutschland vielfach die ärztliche Grundversorgung, doch nicht nur dann sind sie oft erste Anlaufstelle.

Patientenversorgung

Beitrag lesen
Klinikum

Klinikum Leverkusen: 73 Millionen Förderung für Wachstumskurs

Leverkusen. Mit 73,3 Mio. Euro fördert das Land NRW den Ausbau und die Modernisierung des Leverkusener Großkrankenhauses.

Patientenversorgung

Beitrag lesen