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Erörterungsverfahren als notwendige Maßnahme der Erlössicherung für ein Klinikum

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Erörterungsverfahren als notwendige Maßnahme der Erlössicherung für ein Klinikum

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Die Abrechnungsprüfung von Krankenhausrechnungen durch die gesetzlichen Krankenkassen erfolgt gemäß § 275c SGB V und der Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV). Innerhalb von vier Monaten nach Rechnungseingang kann die Krankenkasse den Medizinischen Dienst (MD) mit einer Einzelfallprüfung beauftragen. Geprüft werden typischerweise Haupt- und Nebendiagnosen, Prozedurenkodes und (vermeintliche) Fehlbelegungen. Das Krankenhaus muss dem MD innerhalb von acht Wochen die angeforderten Patientenunterlagen zur Verfügung stellen. Die Krankenkasse muss dem Krankenhaus das Prüfungsergebnis des MD innerhalb von neun Monaten mitteilen.

Ein negativer Leistungsentscheid (LE) liegt vor, wenn der MD die Abrechnungspositionen nicht nachvollziehen kann und der Rechnungsbetrag gemindert wird. Gegen einen solchen LE kann das Krankenhaus Widerspruch einlegen, entweder durch einfaches Bestreiten oder durch ein Erörterungsverfahren.

Erörterungsverfahren: Einigung in 70% der negativ beschiedenen Fälle

Erfahrungen zeigen jedoch eine zum Teil mangelhafte Qualität der MD-Gutachten, begründet durch fehlende Facharztqualifikationen, mangelnde Kodierkenntnisse, fehlerhafte Dokumentenbegutachtung und falsche Mengenzählung. Trotz dieser Mängel konnte in den anschließenden Erörterungsverfahren in über 70 Prozent der durch den MD negativ beschiedenen Fällen eine Einigung mit den Kostenträgern erzielt werden, was eine aktuelle Studie an verschiedenen Universitätsklinika zeigt (Publikation in Vorbereitung). In relevantem Umfang konnten sogar alle vom MD strittig gestellten Punkte widerlegt werden.

Folgen negativer Leistungsentscheide

Falsche negative LE können weitreichende Konsequenzen für das Krankenhaus haben. Sie können zu einer Erhöhung der Prüfquote führen, was zu mehr Einzelfallprüfungen und einer höheren Aufschlagszahlung führt. Zudem binden die Abrechnungsprüfungen erhebliche personelle Ressourcen (Ärzte, Kodierfachkräfte, Justiziariat). Für einen erfolgreichen Widerspruch müssen medizinische, kodierrelevante Aspekte sowie aktuelle Gerichtsurteile und Schlichtungsbeschlüsse berücksichtigt werden. Im gerichtlichen Verfahren werden gemäß § 17c Abs. 2b SGB V nur fristgerecht gegenüber der Krankenkasse vorgebrachte Einwendungen akzeptiert.

Versäumt das Krankenhaus die fristgerechte Vorlage der vom MD angeforderten Unterlagen, kann die Krankenkasse deren nachträgliche Berücksichtigung ablehnen (§ 7 Abs. 2 Satz 11 PrüfvV). Das Erörterungsverfahren kann sich über zwölf Wochen erstrecken und erfordert die Bearbeitung zahlreicher Nachrichten auf verschiedenen Kommunikationswegen. Eine fehlende Mitwirkung im Erörterungsverfahren kann gemäß § 9 Abs. 11 PrüfvV zum Verlust des Verfahrens führen. Der Austausch erfolgt primär elektronisch über Datenträgeraustausch (KAIN, INKA), die jedoch nur begrenzten inhaltlichen Austausch ermöglichen. Daher werden oft zusätzlich alternative, verschlüsselte Kommunikationswege genutzt, was das Verfahren arbeitsintensiv macht.

Akteneinsicht im Erörterungsverfahren

Seit Juli 2024 erfolgt die Übermittlung der Patientenunterlagen über ein zentrales Kommunikationsportal zwischen MD und Krankenkassen, was eine deutliche Erleichterung für die Krankenhäuser darstellt. Zuvor mussten die Kliniken die Unterlagen über verschiedene Portale der einzelnen Krankenkassen übermitteln, was einen hohen technischen und organisatorischen Aufwand bedeutete. Die Krankenkassen nutzen die Akteneinsicht im Erörterungsverfahren, um die Prüfgründe unabhängig vom MD zu beurteilen. Insbesondere bei sekundären Fehlbelegungen können häufig in weit über der Hälfte der Erörterungsverfahren-Fälle Einigungen erzielt werden. Dabei ist zu kritisieren, dass MD-Gutachter oft regionale Begebenheiten in der Versorgungsstruktur nicht berücksichtigen oder nicht kennen.

Schlussfolgerung

Die dargestellten Herausforderungen und die hohe Erfolgsquote des Erörterungsverfahren verdeutlichen die Notwendigkeit für Krankenhäuser, einen etablierten Prozess für ein Nachverfahren zu implementieren. Dieser Prozess sollte folgende Elemente umfassen:

  • Systematische Erfassung und Analyse von MD-Gutachten: Um wiederkehrende Fehler und Schwachstellen in der Begutachtung zu identifizieren.
  • Strukturiertes Vorgehen im Erörterungsverfahren: Mit klaren Verantwortlichkeiten, Fristen und Kommunikationswegen.
  • Professionelle Bearbeitung der Widersprüche: Unter Berücksichtigung aller relevanten medizinischen, kodierrelevanten und rechtlichen Aspekte.
  • Einbindung von Experten: (Ärzte, Kodierfachkräfte, Justiziariat) zur Sicherstellung einer hohen Qualität der Widersprüche.
  • Dokumentation aller Verfahrensschritte: Um den Überblick zu behalten und im Falle eines gerichtlichen Verfahrens eine vollständige Dokumentation vorlegen zu können.
  • Regelmäßige Schulungen der Mitarbeitenden: Um das Wissen über die aktuellen rechtlichen und kodiertechnischen Anforderungen sicherzustellen.
  • Kontinuierliche Überprüfung und Anpassung des Prozesses: Um auf Veränderungen im Prüfverfahren und in der Rechtsprechung reagieren zu können.

Ein solch etablierter Prozess für ein Nachverfahren ermöglicht es dem Krankenhaus, unberechtigte Forderungen der Krankenkassen effektiv abzuwehren, Ressourcen zu schonen und finanzielle Verluste zu minimieren. Er trägt auch dazu bei, die Qualität der eigenen Abrechnungsprozesse zu verbessern und zukünftige Beanstandungen zu vermeiden. Die Einrichtung eines solchen Prozesses ist daher nicht nur empfehlenswert, sondern angesichts der komplexen Rahmenbedingungen und der hohen Erfolgsquote im Erörterungsverfahren essenziell.

Autoren: PD Dr. med. habil. Nikolaus von Dercks, Sandra von der Höh und Daniela Roschütz

Erschienen in KU 1-2025

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