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265 Zeilen Gesundheits- undPflegepolitik

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265 Zeilen Gesundheits- undPflegepolitik

Gesundheitspolitik

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Koalitionsvertrag mit ambitionierten Zielen lässt dennoch Fragen offen

Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung enthält zentrale Reformvorhaben für das Gesundheits- und Pflegesystem. Im Fokus stehen die finanzielle Stabilisierung der Kranken- und Pflegeversicherung sowie eine bedarfsgerechte Versorgung. Trotz ambitionierter Ziele bleiben Fragen zur Umsetzung und Finanzierung offen. Ob die Maßnahmen strukturelle Defizite nachhaltig beheben können, bleibt abzuwarten.

Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung stellt die Weichen für die kommenden Jahre und umfasst zahlreiche Reformpläne. In insgesamt 265 Zeilen widmet sich die Koalition den Herausforderungen des Gesundheitswesens. Ziel ist es, eine Versorgung zu gewährleisten, die sowohl den individuellen Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger gerecht wird, als auch langfristig finanziell tragfähig bleibt. Zum Vergleich enthält der Koalitionsvertrag in Summe 4.588 Zeilen, damit sind ca. 6 Prozent des Koalitionsvertrages dem Themenfeld Gesundheit gewidmet.

Pläne für Gesundheitswesen und Pflege

Im Zentrum stehen strukturelle Reformen, Beitragsstabilität, Zugangsgerechtigkeit und die Entlastung von Fachkräften. Ein Paket aus kurzfristigen und langfristigen Ansätzen soll die Ausgabendynamik bremsen und das Defizit verringern. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels im Gesundheitswesen gewinnen die geplanten Maßnahmen zusätzlich an Bedeutung.

Mit der Reform der Gesundheitsberufe soll die Pflege einen festen Sitz im G-BA erhalten. Gesundheitsministerin Nina Warken betont die Wichtigkeit, den Beschäftigten in den Gesundheitsberufen mehr zuzuhören und Eigenständigkeit und Eigenverantwortung der einzelnen Berufe zu fördern. In der ambulanten Versorgung soll das Hausarztsystem verbindlich eingeführt und der Zugang zu Fachärzten durch flexible Termingarantie-Regelungen erleichtert werden. Der Ausbau von Hybrid-DRGs soll die Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung verbessern. Besonders in unterversorgten Regionen sind Honorarzuschläge für Fachärzte geplant.

Im Rahmen der Krankenhausreform wird die Weiterentwicklung einer bedarfsgerechten Krankenhauslandschaft mit einem Anpassungsgesetz fortgeführt. Diese Maßnahmen bauen auf Reformen der letzten Legislaturperiode auf und sollen bis 2027 gesetzlich geregelt werden. Die Ziele für Apotheken bleiben unverändert, der Apothekerberuf soll zu einem Heilberuf reformiert werden, jedoch ohne konkrete Vorschläge. Mit der geplanten Pflegereform soll die nachhaltige Finanzierung der Pflegeversicherung gesichert werden. Dabei sollen auch pflegende Angehörige und der Zugang zu Pflegeleistungen berücksichtigt werden. Ein weiteres Vorhaben ist der Abbau bürokratischer Hürden. Die Koalition strebt eine Reduzierung der Dokumentationspflichten und eine Vereinfachung der Verwaltungsprozesse an, um den Fachkräften mehr Zeit für die Patientenversorgung zu ermöglichen.

Die dicksten Bretter im Koalitionsvertrag sind jene Vorhaben, die besonders tief in die Struktur des Gesundheitswesens eingreifen und hohe politische, finanzielle oder technische Anforderungen mit sich bringen. Dazu zählen die Krankenhausreform mit Leistungsgruppen und Vorhaltevergütung, die nachhaltige Neuausrichtung der Pflegeversicherung durch eine Bund-Länder-Kommission, die verpflichtende Einführung der elektronischen Patientenakte samt interoperabler Schnittstellen, der Bürokratieabbau im Gesundheitswesen sowie die finanzielle Stabilisierung der GKV und PKV.

Kritik am Koalitionsvertrag

Der Koalitionsvertrag wurde mit hohen Erwartungen bedacht, doch auch gibt es kritische Stimmen, die sich mehr konkrete Vorhaben erhofft hatten, u. a. im Bereich der Finanzierung der GKV. Hier werden sich konkrete Maßnahmen zur Begrenzung der stetig wachsenden Ausgaben im Gesundheitswesen gewünscht. Diskutiert werden unter anderem eine stärkere Steuerfinanzierung u. a. für Bürgergeldempfängerinnen und -empfänger, höhere Beitragssätze oder eine Ausweitung der Beitragsbemessungsgrenze – konkrete Festlegungen fehlen jedoch.

Die Vielzahl an Vorhaben erfordert nicht nur politische Einigkeit, sondern auch eine zügige gesetzgeberische Umsetzung – ein ambitioniertes Unterfangen angesichts der föderalen Zuständigkeiten. Ob die geplanten Reformen über die Legislaturperiode hinaus Wirkung entfalten, wird maßgeblich von ihrer konkreten Umsetzung und der Akzeptanz bei den Akteuren im Gesundheitswesen abhängen. Für Fachexpertinnen und -experten ist jedoch sicher: Die Herausforderungen sind größer als die Betrachtung im Vergleich zum Gesamtvolumen des Koalitionsvertrags vermuten mag.

Autor: Philipip Wacker, Manager, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Erschienen in: KU 10/2025

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