Ein Zwischenruf
Der ursprüngliche Zeitplan für Lauterbachs Krankenhausreform hat sich in Luft aufgelöst. Zur Erinnerung: Angekündigt war das Inkrafttreten eines entsprechenden Gesetzes zum 1. Januar 2024. Das ist nun hinfällig. Wie geht es jetzt weiter?
Eigentlich begann alles sehr hoffnungsvoll. Am 6. Dezember 2022 wurde die dritte Stellungnahme der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung veröffentlicht. Das Echo darauf war überraschend positiv. Eine „Bund-Länder-Arbeitsgruppe für die Krankenhausreform“ wurde eingerichtet; diese trifft sich noch immer mehr oder weniger regelmäßig.
Nach und nach jedoch beginnt das übliche Spiel bei Reformen im deutschen Gesundheitswesen. Bund und Länder streiten um ihre Kompetenzen. Leistungserbringer bangen um ihre Einnahmen. Patienten spielen eine Nebenrolle. Und immer deutlicher wird die grundsätzliche Kritik an der Reform. Das von Lauterbach neu erfundene Wort der „Entökonomisierung“ lässt ahnen, dass hier eine Reform geplant ist, die das gesamte Gesundheitssystem umkrempeln will. Unbehagen macht sich breit. Ökonomen warnen. Am 30. Januar 2024 übt die Deutsche Krankenhausgesellschaft in einem öffentlichen Papier massive Kritik am aktuellen Fortgang des Reformvorhabens.
Zum aktuellen Stand der Reform
Im September 2023 verkündet Lauterbach, dass die Krankenhausreform voraussichtlich in vier Teilen umgesetzt wird: Krankenhaustransparenzgesetz, Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz, Reform der Notfallversorgung, Reform der Rettungsdienste.
Mit Beschluss des Bundestages vom 19. Oktober 2023 wird der Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Qualität der stationären Versorgung durch Transparenz (kurz „Krankenhaustransparenzgesetz“) vorgelegt. Am 24. November 2023 schickt der Bundesrat den Gesetzentwurf in den Vermittlungsausschuss. Da liegt er noch immer. Im Anschluss an eine Diskussionsrunde zur Krankenhausreform mit kommunalen Spitzenverbänden am 15. Januar 2024 wird von Lauterbach in einem Statement der Beschluss des Bundesrates für den 2. Februar 2024 in Aussicht gestellt. Bereits kurze Zeit später wird klar, dass der Vermittlungsausschuss von Bund und Ländern zum Krankenhaustransparenzgesetz erst am 21. Februar 2024 zusammenkommen wird und die nächste Bundesratssitzung, in der die Beratung über das Ergebnis der Vermittlung erfolgen könnte, am 22. März 2024 stattfindet.
Lauterbach wirbt in seinem Statement für das Gesetz mit Mitteln in Höhe von 6 Mrd. Euro für 2024 zum Ausgleich der Mindererlöse in der Pflege und eine Anhebung der Basisfallwerte um die realen Personal- und Sachkostensteigerungen. Beides steht den Krankenhäusern ohnehin zu und hat mit dem Krankenhaustransparenzgesetz nichts zu tun.
Für das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsqualität im Krankenhaus und zur Reform der Ver-gütungsstrukturen vom September 2023 (kurz „Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz – KHVVG“) liegt ein mehrfach angepasster Arbeitsentwurf vor, der nicht öffentlich und in der derzeitigen Form wegen anhaltender Vorbehalte der Länder nicht beschlussfähig ist. Ziel war es, im Januar 2024 einen Referentenentwurf vorzulegen.
In seinem Statement im Anschluss an die genannte Diskussionsrunde zur Krankenhausreform mit kommunalen Spitzenverbänden am 15. Januar 2024 erwähnt Lauterbach das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz nicht, sondern spricht von einer Änderung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, welche hoffentlich am 24. April 2024 in das Kabinett gebracht werden kann. Er spricht in seinem Statement erneut von einer teilweise notwendigen „Entökonomisierung“ des Gesundheitssystems. Lauterbach stellt ländlichen Kliniken, die für die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung notwendig sind, einen Sicherstellungszuschlag und Vorhaltepauschalen in Aussicht, bei denen die „Sicherstellungsaufgabe finanziell besonders berücksichtigt wird“. Die Vorhaltepauschalen sollen auch bei sinkenden Fallzahlen unverändert geleistet werden. „Minderfallzahlen führen nicht zu Mindererlösen“, so Lauterbach. Damit sollen Insolvenzen von Krankenhäusern, die sicherstellungsrelevant sind, weitgehend vermieden werden. „Wir können mit der neuen Struktur quasi ausschließen, dass kleine Krankenhäuser, die für die Sicherstellung der Versorgung notwendig sind, in die Insolvenz gehen. … In der jetzigen Struktur ist das nicht möglich.“
Sollten die Gesetzesvorhaben scheitern, so setzt Lauterbach obendrauf, werde es ein „bedenkliches, größeres und unsystematisches Krankenhaussterben“ geben. Am 16. Januar 2024 legt das Bundesministerium für Gesundheit ein knapp 5-seitiges Eckpunktepapier zur Reform der Notfallversorgung vor. Ein Gesetzesentwurf ist das noch lange nicht.
Krankenhaustransparenzgesetz
Wesentliche Inhalte des Entwurfes des Krankenhaustransparenzgesetzes sind die Definition bundeseinheitlicher Versorgungsstufen und das Transparenzverzeichnis. Folgende Versorgungsstufen sollen zukünftig unterschieden werden:
- Level 3U für Hochschulklinika mit im Gesetzesentwurf definierten Mindestleistungsgruppen,
- Level 3 für Maximalversorger, die keine Hochschulklinika sind, mit den im Gesetzesentwurf de-finierten Mindestleistungsgruppen
- Level 2 mit mindestens zwei internistischen und zwei chirurgischen Leistungsgruppen, den Leis-tungsgruppen Intensivmedizin und Notfallmedizin sowie zusätzlich drei weiteren Leistungsgruppen
- Level 1n mit mindestens den Leistungsgruppen Allgemeine Innere Medizin, Allgemeine Chirurgie, Intensivmedizin sowie Notfallmedizin
- Level F für Fachkrankenhäuser
- Level 1i für Krankenhäuser, die eine sektorenübergreifende Versorgung und in der Regel keine Notfallmedizin erbringen
Das Bundesministerium für Gesundheit möchte ab dem 1. April 2024 in einem Transparenzverzeichnis im Internet insbesondere die folgenden Informationen veröffentlichen:
- die Fallzahlen der erbrachten Leistungen nach Leistungsgruppen,
- die Versorgungsstufe,
- die personelle Ausstattung im Verhältnis zum Leistungsumfang,
- Daten zur Qualitätssicherung (z.B. Komplikationsraten, Todesfälle).
Änderung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes
Vom Bundesministerium für Gesundheit sind hierzu folgende wesentliche Inhalte zu erfahren:
- Die medizinischen Leistungen der Krankenhäuser werden in 65 Leistungsgruppen gegliedert. Diese Leistungsgruppen nehmen auch die zentrale Rolle bei der zukünftigen Krankenhausplanung ein. Für die Leistungsgruppen werden bundeseinheitlich Mindestqualitätsanforderungen definiert. Um Leistungen erbringen zu dürfen, müssen diese Anforderungen vom Krankenhaus erfüllt werden.
- Die Leistungsgruppen werden von den Planungsbehörden der Länder bezogen auf die einzelnen Krankenhausstandorte zugewiesen. Damit entscheiden die Länder, welche Krankenhausstandorte welche Leistungen erbringen dürfen. Die Länder können Ausnahmegenehmigungen erteilen, wenn es die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung erfordert.
- Die Vergütung der Fälle wird zugunsten einer Vorhaltevergütung reduziert. Krankenhäuser bekommen unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme ihrer Leistungen eine feste Vorhaltevergütung.
- Die „Level 1i-Krankenhäuser“ ergänzen die ärztliche und pflegerische Vor-Ort-Versorgung in Deutschland als sektorenübergreifende Versorger. Ambulante und stationäre Leistungen werden in diesen Einrichtungen verbunden.
Fazit
Die Krankenhausreform geht nur mühsam voran. Die Politik wird langsam nervös. Die Länder bangen um ihre Planungshoheit in der stationären Versorgung. Diese Bedenken auszuräumen, ist schwer. Kompromisse werden mit Bestands- und Geldzusagen erkauft. Die Reform verzögert sich erheblich. Leidtragende sind die Krankenhäuser. Denen fehlt die Planungssicherheit. Das Problem der ausreichenden Investitionsfinanzierung seitens der Länder bleibt ungelöst.
Autor: Prof. Dr. Volker Penter, Partner bei der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Wissenschaftlicher Leiter Health Care Management an der DIU Dresden International University
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