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W wie Wandel in der Pflege

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W wie Wandel in der Pflege

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Demografischer Wandel und Fachkräftemangel oder neue Anwendungsmöglichkeiten digitaler Tools sorgen für einen hohen Adaptionsbedarf in der Pflege. Auch berufspolitische Veränderungsdiskussionen nehmen in der jüngeren Vergangenheit einen großen Raum ein.

Die Gesundheitsbranche und speziell die Pflege stehen so stark wie nie unter dem Einfluss gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Trends: Demografischer Wandel und Fachkräftemangel oder neue Anwendungsmöglichkeiten digitaler Tools sorgen für einen hohen Adaptionsbedarf in der Pflege. Auch berufspolitische Veränderungsdiskussionen nehmen in der jüngeren Vergangenheit einen großen Raum ein. Vorhaben, die darauf abzielen, dem resultierenden steigenden Personalbedarf Herr zu werden finden sich zuhauf. Am tiefgreifendsten ist dabei die Neuauflage der Pflegepersonalregelung von 1993 (PPR) also PPR 2.0 für die stationäre Pflege in Krankenhäusern und das an der Universität Bremen entwickelte Instrument zur Pflegepersonalbemessung (PeBeM) für stationäre Pflegeeinrichtungen der Alten- und Langzeitpflege.

PPR 2.0 für die Personalbemessung im Krankenhaus

Die PPR 2.0 wurde von der Deutschen Krankenhaus Gesellschaft mit dem Deutschen Pflegerat e.V. und Verdi kooperativ zur Ermittlung des Personalbedarfs in der stationären Krankenhauspflege entwickelt. Im Rahmen der neuen Regelung sollen PatientInnen in Kategorien der allgemeinen und speziellen Pflege eingeordnet werden, denen entsprechende Minutenwerte für die tägliche Pflege zugeordnet sind. Auf Basis dieser Zuteilung wird jeweils ein patientenindividueller Fallwert als Maß für den Zeitaufwand für den jeweiligen Fall und u.a. ein Grundwert als Zeitmaß für Leistungen der Pflege ohne direkten Patientenbezug, etwa Planungsaufgaben, gebildet. Mittels der so ermittelten Zeitwerte ergibt sich ein Gesamtzeitaufwand für eine Station, einen Bereich oder ein gesamtes Haus mit dessen Hilfe der Pflegepersonalbedarf ermittelt werden kann. Gegenüber der Vorgängerregelung PPR, die noch aus den 90er-Jahren stammt, werden dabei neue Pflegekonzepte oder auch veränderte Anforderungen an etwa die Qualitätssicherung in der Zeitbemessung „eingepreist“. Für den Kinder- und Jugendbereich soll zukünftig eine eigene, adaptierte PPR 2.0 Version gelten. Die PPR 2.0 befindet sich seit Mai 2023 in der Erprobungsphase in ausgewählten Krankenhäusern und soll Ende des Jahres in eine entsprechende Rechtsverordnung münden. Der aktuelle Zeitplan des Bundesministeriums für Gesundheit sieht vor, dass die PPR 2.0 ab 2025 sanktionsbewehrt für alle Krankenhäuser gilt.

PeBeM zur Ermittlung des Personalbedarfs in vollstationären Pflegeeinrichtungen

Während die PPR 2.0 den konkreten Zeitaufwand als Bemessungsgrundlage nimmt, wird im Rahmen des PeBeM das Qualifikationsniveau der Pflegekräfte als Ausgangspunkt der Personalbedarfsplanung genommen. Im Rahmen einer aufwändigen Erhebung wurde ein umfangreicher Interventionskatalog erstellt, der auf die Kompetenzanforderungen einzelner Pflegetätigkeiten eingeht. Letztlich kann mit Hilfe eines ersten „Algorithmus 1.0“, entwickelt auf Grundlage des Dreiklangs aus Qualifikationsniveau, Case Mix und Pflegegrad der zu Pflegenden, der einrichtungsindividuelle Personal(mehr)bedarf ermittelt werden. Die entscheidende Veränderung durch den Einsatz von PeBeM liegt in der Ablösung der bisher geltenden Fachkraftquote von 50% mit der Einführung von kompetenzorientierten Personalquoten aus im Durchschnitt 40 % Pflegefachkräften, 30 % Assistenzkräften mit ein- bis zweijähriger Ausbildung und 30% Hilfskräften, die jeweils einem neu definierten Aufgabenbereich nachgehen. Auch das PeBeM mit dem Algorithmus 1.0 wird gerade in erster Anwendung in ausgewählten Einrichtungen erprobt. Nach der Roadmap des BMG soll auf dieser Grundlage ab Juli 2023 der flächendeckende Rollout des Instruments in vollstationären Pflegeeinrichtungen erfolgen. Auf Basis der zugehörigen Evaluationsprozesse soll bis Ende 2024 eine Empfehlung für eine aktualisierte Version in Form eines Algorithmus 2.0 erarbeitet und 2025 implementiert werden.

Erhöhter Anpassungsbedarf auf Stationen und in Pflegeeinrichtungen

Die beiden dargestellten Reformansätze sorgen dafür, dass sich Kliniken und Pflegeeinrichtungen auf tiefgreifende organisatorische und strukturelle Anpassungen einstellen müssen. Umstrukturierungen der Ablauf- und Aufbauorganisation, veränderte Personalentwicklungsprozesse und zugehörige Schulungsbedarfe werden in der nahen Zukunft eine gewichtige Rolle spielen. Die deutsche Pflegelandschaft befindet sich also gerade inmitten eines Wandelprozesses. Diesen Wandel gilt es möglichst nutzenstiftend zu gestalten.

Autorin: Natascha Andres, Senior Managerin Healthcare, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Erschienen in: KU Gesundheitsmanagement 06/2023

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