Was die EUDR für Krankenhäuser bedeutet
Rund 500 Fußballfelder Wald in Deutschland sind nötig, damit eine durchschnittliche Klinik ihre jährlichen direkten CO₂-Emissionen kompensieren könnte. Rechnet man indirekte Emissionen (Scope 3) durch eingekaufte Produkte und die damit verbundenen Lieferketten hinzu, sind über 1.000 Fußballfelder nötig. Für einen relevanten Anteil dieser Produkte, wie Medizin- und Einwegartikel, Verpackungen und Lebensmittel, müssen unter Umständen sogar Waldflächen weichen. Im Klinikgeschäft stehen die Umweltauswirkungen von Krankenhäusern oft hinter anderen Prioritäten zurück, sind jedoch klimarelevant und messbar.
Die EU-Verordnung gegen Entwaldung (EU) 2023/1115 (EUDR) verpflichtet große Unternehmen ab dem 30. Dezember 2025 (Kleinst- und Kleinunternehmen ab 30. Juni 2026), bei bestimmten entwaldungsrelevanten Rohstoffen und Erzeugnissen sicherzustellen, dass diese entwaldungsfrei und rechtskonform (d.h. im Einklang mit den Gesetzen des Ursprungslandes) hergestellt wurden.
Zwar richtet sich die EUDR vordergründig an Akteure in Agrar- und Forstwirtschaft, doch ihre Auswirkungen betreffen auch den Gesundheitssektor direkt (z. B. Krankenhäuser mit eigenem Apothekenbetrieb) und indirekt (über Einkauf, CO₂-Bilanzen und steigende Produktpreise). Wer Salben mit Palmöl, Zellulosekittel, Rindfleisch für die Kantine oder Einmalhandschuhe aus Kautschuk beschafft, ist möglicherweise Teil einer Lieferkette, die unter die EUDR fällt.
Entwaldung durch den Einkauf im Krankenhaus?
Im Anhang I der EUDR-Verordnung sind die sieben betroffenen Rohstoffe (Kakao, Kaffee, Palmöl, Kautschuk, Soja, Holz und Rinder) sowie ihre relevanten Erzeugnisse, wie Handschuhe aus Naturkautschuk, Leder, Glycerin aus Palmöl, Rindfleisch, Zellstoffprodukte, aufgelistet. Ein Abgleich der Krankenhaus-Einkaufslisten mit den zugehörigen Zollnummern ist essenziell, um die Relevanz der EUDR für das eigene Haus einschätzen zu können und etwaige Dokumentationspflichten zu identifizieren.
Marktteilnehmer oder Händler?
Die EUDR unterscheidet zwischen
- Marktteilnehmern: importieren relevante Rohstoffe oder Erzeugnisse in die EU oder stellen sie her und bringen diese erstmalig in Verkehr
- Händlern: stellen entwaldungsrelevante Produkte auf dem Unionsmarkt bereit, ohne sie selbst zu importieren oder herzustellen.
Krankenhäuser zählen i. d. R. nicht zu den Marktteilnehmern, sondern zu den Händlern. Ihre Dokumentationspflichten hängen davon ab, ob sie als KMU gelten (Kriterien: ≤ 50 Mio. € Umsatz, ≤ 25 Mio. € Bilanzsumme, ≤ 250 Beschäftigte). KMUs müssen relevante Informationen (z. B. zur Herkunft) vorhalten und gegebenenfalls weitergeben. Große Unternehmen müssen ihre Produkte im digitalen EU-Informationssystem registrieren und können sich dabei auf Angaben ihrer Lieferanten (Marktteilnehmer) beziehen, übernehmen in diesem Fall aber auch die volle Verantwortung für die Korrektheit der Angaben.
Fallbeispiele: eigene Apotheke & EUDR:
- Apotheke A kauft Glycerin aus Palmöl zur Herstellung und Verkauf von Salben. Salben sind nicht als relevantes Erzeugnis gelistet. ➝ Keine EUDR-Pflichten.
- Apotheke B vertreibt Glycerin mit einem Reinheitsgrad von über 95 % direkt. Dieses zählt als relevantes Erzeugnis gemäß Anhang I. ➝ Dokumentationspflicht besteht. Apotheke B kann auf den Hersteller als Marktteilnehmer verweisen, der den entwaldungsfreien Ursprung des verarbeiteten Palmöls nachweisen muss.
Risiken bei Nichtbeachtung
Die Missachtung der Sorgfaltspflichten kann gravierende Folgen haben: Rückrufaktionen und Bußgelder bis zu 4 % des Jahresumsatzes drohen. Bei Unsicherheiten zur Verordnung ist es ratsam, frühzeitig Experten zu konsultieren, um Verzögerungen oder rechtliche Risiken zu vermeiden.
CO₂ reduzieren, Klima schützen
Die EUDR ist Teil der europäischen Nachhaltigkeitspolitik und unterstützt das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 (Deutschland) bzw. 2050 (EU). Ein nachhaltiger Einkauf hilft Krankenhäusern nicht nur bei der EUDR-Compliance, sondern senkt auch ihren CO₂-Fußabdruck. Die Klimabilanzierung ist ein zentraler Bestandteil der freiwilligen und verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichterstattung und für Banken und externe Stakeholder von Interesse.
Handlungsempfehlungen für Krankenhäuser
- Lieferketten prüfen und bei betroffenen Produkten die Herkunft durch Verweis auf die Händler transparent dokumentieren.
- Wo möglich, auf entwaldungsrelevante Produkte verzichten oder wirtschaftlich sinnvolle Alternativen einsetzen
- Speisenversorgung überdenken: regionale, CO₂-arme Lebensmittel bevorzugen.
Fazit
Die EUDR verlangt von Krankenhäusern und Apotheken eine Überprüfung ihrer Produkte, die eingesetzt oder angeboten werden und im Kontext globaler Entwaldung von Bedeutung sind. Ein prüfender Blick auf Einkaufslisten und Lieferketten schützt nicht nur das Klima, sondern auch das Unternehmen vor regulatorischen und reputativen Risiken.
Autoren: Dr. Sinja Küppers, Nachhaltigkeitsberaterin, CURACON GmbH und Henryk Kasfeld, Nachhaltigkeitsberater, CURACON GmbH
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