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Ambulante Gesundheitsversorgung: Die Zukunft im Ortenaukreis

Medizinisches Versorgungszentrum MVZ

Ambulante Gesundheitsversorgung: Die Zukunft im Ortenaukreis

Gesundheitspolitik

5 MIN

Die Ortenau MVZ nehmen im Ortenaukreis eine entscheidende Rolle in der Neuausrichtung der Gesundheitsversorgung ein. Als Teil der Agenda 2030 entwickeln sie sich von ehemals klinikorientierten Einrichtungen zu einer tragenden Säule der ambulanten Versorgung im Landkreis. Diese Transformation bedeutet nicht nur eine Anpassung in der medizinischen Versorgung, sondern erfordert auch eine umfassende Neuausrichtung in den Bereichen Steuerung, Marketing und Kommunikation.

Die Gesundheitslandschaft in Deutschland steht vor Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf den Fachkräftemangel und steigende Kosten im Gesundheitswesen. Diese Probleme treffen vor allem die Krankenhausträger, insbesondere in ländlichen Gebieten, wo die ambulante Versorgung zunehmend schwieriger wird. Der Betrieb von Einzelpraxen wird durch eine Vielzahl von Vorschriften und Regelungen erschwert, während junge Ärzte nach attraktiveren Arbeitsbedingungen suchen.

Im südbadischen Ortenaukreis spiegelte sich dieser Trend in den letzten Jahren wider. Als Antwort darauf verabschiedete man 2018 die Agenda 2030, die darauf abzielt, die stationäre und ambulante Gesundheitsversorgung zukunftsfähig zu machen.

Neuausrichtung der ambulanten Gesundheitsversorgung zur „Zweiten Säule“

Im Rahmen der Agenda 2030 hat der Ortenaukreis beschlossen, die eigenen Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) bis 2030 neben den Kliniken zu einer starken „Zweiten Säule“ der Gesundheitsversorgung auszubauen. Trotz der Herausforderungen im Gesundheitssystem soll eine bestmögliche und flächendeckende Versorgung gewährleistet werden. Diese Entscheidung wurde vor dem Hintergrund des zunehmenden Trends zur Ambulantisierung getroffen. Der flächenmäßig größte Landkreis Baden-Württembergs wird die Zahl der Krankenhausstandorte von neun auf vier reduzieren und in drei Neubauten investieren. Darüber hinaus entstehen neue interdisziplinäre und standortübergreifende Department-Strukturen von Fachkliniken. Die Ortenau MVZ soll in unterversorgten Bereichen nur dort tätig werden, wo sich keine Ärzte finden, welche die freien Sitze betreiben wollen.

Ambulant vor stationär – das Zentrum für Gesundheit

Die patientenorientierten Zentren für Gesundheit im Ortenaukreis bieten eine eng verzahnte ambulante Versorgung, die mit der stationären Versorgung verbunden ist. Sie vereinen fachärztliche Versorgung, Notfallversorgung, pflegerische Angebote und weitere Gesundheitsdienstleistungen. An diesen Anlaufstellen können die Ortenau MVZ gezielt in moderne Leistungen investieren, darunter moderne Diagnostik und operative Eingriffe. Für niedergelassene Ärzte und andere Dienstleister im Gesundheitsbereich bieten sich zudem Kooperationsmöglichkeiten unter einem Dach an.

Ein Blick hinter die Kulissen des Zentrums für Gesundheit in Oberkirch

Im Oktober 2021 stellte man die stationäre Versorgung in Oberkirch ein, und eröffnete anstelle des Krankenhauses das erste Zentrum für Gesundheit im Ortenaukreis. Heute bieten mehrere Gesundheitsangebote unter einem Dach innovative Ansätze. Das Ortenau MVZ betreibt eine orthopädisch-unfallchirurgische Praxis, die auch eine Durchgangsärztin beherbergt. Seit 2023 ergänzt ein Viszeralchirurg im Rahmen der Versorgungssicherung das Angebot. Abends und am Wochenende bietet das MVZ eine hausärztliche Notfallsprechstunde an und dient als Anlaufstelle für ambulante Notfälle in der Region. Die Auswahl der Fachrichtungen erfolgt in einem ausführlichen Dialog mit der Stadt, dem Landkreis und den niedergelassenen Ärzten. In diesem Prozess haben die Hausärzte einen Bedarf in der chirurgischen Versorgung aufgezeigt, insbesondere an operativen Leistungen. Aufgrund dieser Anregungen wurde der ehemalige Krankenhaus-OP in ein ambulantes OP-Zentrum umgewandelt, das auch externen Operateuren zur Verfügung steht.

Seit Anfang 2024 betreibt das Pflege- und Betreuungsheim des Landkreises im Zentrum für Gesundheit 42 vollstationäre Pflegebetten mit eingestreuter Kurzzeitpflege. Weitere Angebote sind ein Hebammenstützpunkt des Landkreises sowie ein Hospizverein.

Kurzzeitig

e wohnortnahe Versorgung dank Genesungsbetten

Das aktuell innovativste Projekt in Oberkirch sind die Genesungsbetten. Sie stehen Patienten zur Verfügung, bei denen die pflegerische Versorgung zu Hause nach einer ambulanten medizinischen Versorgung fehlt und auch die Finanzierung nach SGB V § 39c nicht greift.

Die Pflege und Betreuung der Patienten erfolgen durch das Personal des Pflegeheims. Die Einrichtung hält zur Unterbringung bis zu drei Betten eingestreut vor. Die ärztliche Versorgung wird durch den einweisenden Arzt oder in Kooperation mit den MVZ-Kollegen der Notfallsprechstunde gesichert.

Notwendige Neuausrichtung der MVZ zur Weiterentwicklung zur Zweiten Säule

Das Ziel, zur Zweiten Säule zu werden, bedeutet für die Ortenau MVZ eine klare Neuausrichtung und kontinuierliche Weiterentwicklung. Die Digitalisierung spielt dabei eine zentrale Rolle, um Arbeitsprozesse effizienter zu gestalten und die Transparenz zu erhöhen. Durch die Einführung digitaler Dienste wie Online-Terminbuchung, Telemedizin und elektronische Dokumentationen wird das Leistungsangebot modernisiert und erweitert. Ein derzeit entwickelndes, zentrales Reporting-Tool wird einen umfassenden Überblick über Leistung und Kosten aller Praxen an allen Standorten ermöglichen.

Viele MVZ in Klinikhand oder in enger Kooperation können allerdings auch ein Lied davon singen, dass Digitalisierung nicht alles einfacher macht. Die Zusammenarbeit mit dem kreiseigenen Ortenau Klinikum wurde hinsichtlich Datenschutzes und Compliance umfassend geregelt, leider nicht immer auch zum Vorteil von Patienten und Mitarbeitern. Hier gilt es von Seiten des Gesetzgebers, endlich die Hürden zu senken.

Neben technischen Maßnahmen konzentriert sich die Ortenau MVZ auch auf die Stärkung ihrer Marke und die Verbesserung der internen Kommunikation. Ein neues Corporate Design und eine verbesserte Online-Präsenz sollen das Vertrauen der Öffentlichkeit und potenzieller Mitarbeiter stärken. Interne Kommunikationskanäle wie Newsletter und regelmäßige Treffen fördern den Dialog und unterstützen die Umsetzung der neuen Ausrichtung.

Gesundheitsversorgung neu gedacht

Die Agenda 2030 im Ortenaukreis ist ein mutiger Schritt zur Sicherung der Gesundheitsversorgung in der Region, der sich bislang bezahlt gemacht hat. Durch eine konsequente Neuausrichtung der ambulanten Versorgung werden langfristig nachhaltige Lösungen geschaffen, die den aktuellen Herausforderungen gerecht werden.

Angepasster Artikel aus KU Gesundheitsmanagement Ausgabe 05-2024
Entdecken Sie die ausführliche Variante in unserem KU-Archiv
Autor: Rainer Bühn

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