Trotz Gesetzen zur Entlastung steigt der bürokratische Aufwand kontinuierlich
Medizinisches Personal im Krankenhaus verbringt täglich rund drei Stunden mit Dokumentationsarbeiten. Dies ist wertvolle Zeit, welche der direkten Patientenversorgung nicht zur Verfügung steht. Insbesondere vor dem Aspekt des stetig steigenden Fachkräftemangels sind Bürokratieabbau und Digitalisierung zwingend notwendig.
In den vergangenen Jahren ist der bürokratische Aufwand im Gesundheitswesen kontinuierlich gestiegen, obwohl zahlreiche Gesetze ursprünglich auf Entlastung abzielten. Stattdessen führten neue gesetzliche Vorgaben und komplexe Nachweispflichten zu einer zusätzlichen Ausweitung von Dokumentationsaufwänden. Hinzu kommen Faktoren wie ungenutzte Potenziale im Bereich der Digitalisierung, mangelhafte IT-Integrationen und fehlende Interoperabilität. Diese strukturellen Defizite wirken sich direkt auf den Arbeitsalltag des medizinischen Personals aus. Pflegekräfte und ärztliches Personal verbringt etwa drei Stunden täglich mit Dokumentationsaufgaben in Krankenhäusern. Fast 100 Prozent der Beschäftigten kritisieren diesen Dokumentationsaufwand. Angesichts des steigenden Fachkräftemangels wird deutlich, dass ein konsequenter Bürokratieabbau sowie die gezielte Förderung digitaler Lösungen dringend erforderlich sind.
Erwartungen Bürokratieabbau
93 Prozent der Allgemeinkrankenhäuser und 98 Prozent der Psychiatrien erwarten von der aktuellen Bundesregierung einen weitreichenden Bürokratieabbau und eine Deregulierung. Die Regierungskommission legte bereits im November 2024 Empfehlungen für den Bürokratieabbau vor, mit dem Ziel überflüssige Dokumentationspflichten zu verringern und die Selbstverwaltung stärker in die Verantwortung zu nehmen. Mit der Krankenhausreform soll das Ziel der Entbürokratisierung verfolgt werden, allerdings zeigen aktuelle Befragungen, dass die Krankenhäuser durch die Krankenhausreform weitere Bürokratiesteigerungen befürchten, insbesondere durch Dokumentationsaufgaben und Nachweispflichten für die Leistungsgruppen, Prüfungen des Medizinischen Dienstes sowie Anforderungen im Rahmen der Vorhaltefinanzierung.
Maßnahmen
Fest steht, dass die digitale Transformation im Gesundheitswesen weiter im Fokus stehen muss. Der Einsatz einheitlicher, interoperabler Systeme, die Einführung digitaler Dokumentationssysteme sowie die elektronische Patientenakte (ePA) sollen Medienbrüche vermeiden, Mehrfacheingaben reduzieren und die Kommunikation mit Krankenkassen und dem Medizinischen Dienst vereinfachen. Künstliche Intelligenz (KI) wird zudem zukünftig entscheidend dazu beitragen, Dokumentationsprozesse im Gesundheitswesen zu optimieren. Bereits jetzt ermöglichen KI-gestützte Spracherkennungen eine erhebliche Verkürzung der Dokumentationszeit im medizinischen Alltag. Zudem ermöglicht KI die Zusammenführung von Daten aus verschiedenen Quellen, um etwa Entlassbriefe zu erstellen oder Befunde zu analysieren, wodurch die Effizienz und Genauigkeit der Dokumentation gesteigert wird.
Von Kliniken wurde der konkrete Handlungsbedarf der Digitalisierung im Bereich der Dokumentation bereits erkannt. Rund ein Viertel der gestellten Förderanträge im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes zielen auf die Digitalisierung der Dokumentation ab. Vor allem im Bereich der internen Prozesse besteht das Potenzial, durch Digitalisierungsmaßnahmen und Prozessoptimierungen Zeit im Bereich der Dokumentation zu sparen. Die Durchführung von Prozessanalysen ist entscheidend, um konkrete, krankenhausindividuelle Optimierungspotenziale und Maßnahmen abzuleiten. Damit Veränderungen tragen, braucht es ein aktives Change-Management. Mitarbeitende aus allen Bereichen müssen frühzeitig eingebunden werden, damit verhindert wird, dass Digitalisierung als Zusatzbelastung wahrgenommen wird.
Schafft man es die Dokumentationsaufgaben um nur eine Stunde pro Tag zu reduzieren, könnten rund 21.600 Vollkräfte im ärztlichen und etwa 47.000 Vollkräfte im Pflegedienst laut Berechnungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft freigesetzt werden. Damit steht fest, dass ein enormes Potenzial in der Entbürokratisierung und Nutzung digitaler Lösungen liegt, mit dem unter anderem auch das Fachkräfteproblem adressiert werden kann.
Autor: Kristin Overhage, Managerin, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, koverhage@kpmg.com
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